Die Sache mit den geheimen Gängen

  • Wer kennt sie nicht, die Sage von einem geheimen Gang, der von einer Stadt aus direkt zu ihrer Schutzburg geführt haben soll? Als man 1950 in Münchberg einen gemauerten Abwasserkanal aus dem 18. Jahrhundert entdeckt hatte, wurde die Diskussion um einen Fluchtweg der Sparnecker vom Waldstein aus wieder von Neuem entfacht. Meist hört sich der Wortlaut der "Gang-Sage" wie folgt an:


    Einst führte von X aus ein unterirdischer Gang hinauf zur Burg Y, der von der Besatzung der letzteren als Fluchtweg im Falle einer Belagerung benutzt worden war. Der Gang blieb noch lange Zeit erhalten und war vom Keller des Rathauses aus zugänglich. Als allerdings eines Tages ein Arbeiter/ein Kind beim Spielen darin verschwand, entschloss man sich, den Eingang zu vermauern und seither weiß niemand mehr, wo er zu finden ist.


    Ich führe diesen Punkt hier an, da ich bei meinen Führungen am Großen Waldstein immer wieder mit der einen Frage konfrontiert werde: "Was ist dran, am geheimen Gang?" Tja, ich appeliere an dieser Stelle einfach den gesunden Menschenverstand: Der Waldstein ist eine natürliche Erhebung aus einem Gestein, das als eines der festesten in ganz Deutschland gilt - Granit. Sobald man versucht, mit mittelalterlichen Methoden einen Gang durch den Fels zu schlagen, wird man relativ schnell feststellen können, dass die Angelegenheit mehrere Jahre/Jahrhunderte in Anspruch nehmen würde. Aus diesem Grund befand sich auf in der Westburg auch keine Tiefzisterne, sondern ein auf dem Fels aufgemauerter Brunnen. Insofern sind also jegliche Behauptungen, es führe ein geheimer Gang hinauf zum Waldstein, schlichtweg nicht logisch!


    Doch, wie sagt man: Jede Sage hat einen wahren Kern - bei geheimen Gängen wird dieser aber wahrscheinlich nur so groß sein, wie der einer Weintraube.


    Liebe Grüße,


    Adrian

  • Die "geheimen Gänge" spuken auch in Hof herum und halten sich hartnäckig.
    Fast bei jeder meiner Stadtführungen kommt unweigerlich die Frage nach dem Gang
    zwischen Rathaus und Wartturm. Zwar gibt es durchaus Verbindungsgänge in der Stadt,
    so z.B. zwischen Rathaus und St. Michaelis - doch bis zum Wartturm!?
    Unter der Saale hindurch durch massives Gestein - und der Zweck ist höchst zweifelhaft.
    Die beiden Wächter am Wartturm hatten Pferde dabei um flüchten zu können.
    Hätten sie das Herannahen der Feinde zu spät bemerkt und wären dann in den
    Tunnel geflüchtet, wäre ihnen dies in der Stadt sehr schlecht bekommen.
    Wachvergehen wurden in der Regel mit dem Tode bestraft.
    "Aber es gibt doch einen Gang, da ist doch mal irgendwer eingebrochen", ist die
    häufigste Antwort. Richtig, denn an diesem Hang zum Wartturm hin wurde früher etwas Bergbau
    betrieben und Reste der Stollen sind vermutlich noch vorhanden.
    Viele solcher "Ganggeschichten" werden wohl auf frühere Bergbautätigkeit hindeuten.

  • Die "geheimen Gänge" spuken auch in Hof herum und halten sich hartnäckig.

    Im Hinblick auf die angeblichen Geheimgänge in Hof wurde während des Zweiten Weltkriegs sogar deren Verwendbarkeit als Luftschutzbunker geprüft.


    Nach dem ersten Luftangriff vom 14. Februar 1945, der 36 Todesopfer forderte, sah sich die Stadtverwaltung veranlaßt, Behauptungen aus der Bevölkerung nachzugehen, die von allen möglichen unterirdischen Gängen und Stollen im Stadtbereich sprachen und deren Verwendung als Luftschutzräume forderten. Man befragte eine Art Kommission, bestehend aus den Hofer Stadthistorikern Dr. Dietlein, Dr. Ebert, Heinrich Schubert, dem Hauptlehrer Reichold und den beiden städtischen Bauräten, die zu folgendem Ergebnis kam:


    „Von keinem der Befragten konnte auch nur der geringste Hinweis zu dem Vorhandensein von solchen Gängen geäußert werden, die mit dem Wartturm oder der Lorenzkirche oder mit dem alten Hofer Schloß oder dem Schloß Hofeck oder mit der Löwengrube (Klostertor-Lessingstraße) oder Labyrinth u. dgl. zusammenhängen.
    Es wurde übereinstimmend darauf verwiesen, daß insbesondere der Wartturm erst 1498 als reiner Signalturm erbaut worden war und daß eine unterirdische Verbindung desselben unter der Saale und dem Mühlgraben mit dem alten Stadtkern ohne weiteres eine Unmöglichkeit darstelle und in das Gebiet der Fabel zu verweisen sei.
    (...)
    Der angeblich vom Sägewerk Wurzbacher
    (Ossecker Str. 8 ) zur Brunnenstraße führende Gang ist in Wirklichkeit die anfangs des Jahrhunderts durchgeführte Fassung und Überdachung
    des Rinnlein-Baches, das die Abwässer der Bavaria-Brauerei zum Mühlgraben führt.


    Ein unterirdischer Gang zum Labyrinth ist schon deshalb ausgeschlossen, da die dortige künstliche Ruine erst im Jahre 1877 erbaut worden ist. Auch führt vom Rathaus kein derartiger Gang unter der Klosterstraße zur Glaserei Bauer. (...)"


    Mit dieser Expertenbefragung zur vermeintlichen mittelalterlichen Unterwelt der Stadt und deren Nutzung für Luftschutzzwecke war das Kapitel Schutzraumbau bis Kriegsende abgeschlossen.


    Quelle:


    Stadtarchiv Hof – A 1486, Stadt Hof – OB – an örtlichen Luftschutz-Leiter, ohne Datum (nach dem 5.3.1945).

    Fränkische Wahrheit: Zwei Besatzungsmächte haben wir gehabt - die Amerikaner und die Bayern. Die Amerikaner sind wir los.

  • Auch den unterirdischen Gang von der Stadt Kulmbach auf die Plassenburg, von dem auch heute noch in Kulmbach viel fabuliert wird, hat man schon vor mehr als 200 Jahren mit allem militärischen Nachdruck zu finden versucht. Der Kulmbacher Stadtdirektor Loewel berichtete am 12. November 1806 an die Kriegs- und Domänenkammer in Bayreuth:



    "Die alte Sage und die boßhafte Angabe ungenannter Personen, daß unterirdische Gänge von der Festung in die Stadt vorhanden wären, hat uns schon viele Unannehmlichkeiten zugezogen. Es wurden nicht nur alle gegen die Festung zugehenden Keller untersucht, sondern auch ein großer Theil der St. Peters-Kirche und die ganze Sakristey aufgegraben. Selbst der verträgliche Herr General Le Grand drohte unsern Stadt-Direkctor in das Französische Hauptquartier abführen zu lassen, wenn sich ein dergleichen verborgener Gang oder ein Schacht in den tiefen Brunnen im Schönen Hof auf der
    Festung vorfinden würde. Es mußten sogleich die Festungs-Maurer, Zimmer- und Brunnenmeister abgehört werden, mit der Bedrohung, dann wenn sie die Wahrheit nicht angeben würden, ihre Häußer und die ganze Stadt der größten Gefahr ausgesetzt seyn sollten."


    (Stadtarchiv Kulmbach, 000/4, Nr. 17)

  • Eigentlich ist es ja schade, dass sich die "geheimen Gänge" als Irrtum herausstellen -
    beflügeln sie doch die Phantasie der Menschen.
    Schön, dass ich Dank "jwurdack" nun auch noch die schriftliche Bestätigung meiner Ansicht habe.
    Und das, ohne selbst im Archiv danach gesucht zu haben. Ist doch toll, dieses Forum!
    Danke nochmal nach Mühldorf (scheint recht nahe am Hofer Stadtarchiv zu liegen :) ).

  • Hallo zusammen,


    Zu Beginn will ich euch nur kurz mitteilen, dass es mich sehr freut, in wie kurzer Zeit diese Diskussion derart angewachsen ist! Die Sage von den geheimen Katakomben scheint also in beinahe allen Orten zu existieren! Spontan fällt mir auch noch die Geschichte des Geigers von Stein ein, der in einem unterirdischen Gang seinen größten Ängsten entgegentritt und schließlich für seinen Mut reich belohnt wird.


    Ich möchte nun jedoch, da ich schon in meinem obigen Beitrag darauf Bezug genommen habe, noch einmal kurz auf den geheimen Gang unter der Ludwigstraße in Münchberg eingehen:


    Heinz Henschel, der mittlerweile leider verstorbene Stadtarchivar, von dessen "Erbe" ich einen großen teil übernommen habe ( :D ) schrieb dazu in den 1950er Jahren einen interessanten Artikel in der Zeitung: Arbeiter der Stadt haben während Ausbesserungsarbeiten an der Kanalisation einen Fund gemacht, der sofort für Zündstoff in der Bevölkerung gesorgt hat. Es handelte sich dabei um einen knapp 1m breiten und 1,3 m hohen mit Bruchsteinen ausgemauerten Gang, der von einem Versturz unter der Kreuzung Amtsgasse/Ludwigstraße knapp 10m hinunter in Richtung Torgasse reicht und somit im Mittelpunkt des alten Stadtkerns liegt. Sofort wurden die wildesten Spekulationen geäußert, wie etwa die bekannte Geschichte, dass der Gang dereinst vom Rathaus, das sich früher tatsächlich nur wenige Meter oberhalb der besagten Kreuzung erhoben hat, bis hinauf zur Schutzburg der Münchberger, dem Waldstein, geführt haben soll. Man muss schon fast ein "leider" davor setzen, denn ein Fluchtweg von oder eher nach Münchberg wäre sicher eine Sensation gewesen, doch hat es nicht sollen sein: Auf alten Katasterplänen sieht man, dass sich an der Stelle des Versturzes einst ein öffentlich zugänglicher Brunnenschacht befunden hat und dank verschiedener Akten im Stadtarchiv ist man sich relativ schnell darüber einig geworden, dass der Gang einst eine Art "cloaca maxima Mvnchbergensis" gewesen ist: Die Ludwigstraße, die der Gang unterquert, war schon seit dem Mittelalter als Markt- und Hauptstraße genutzt worden, die ab 1692 hin und wieder auch "geschwinde fahrende Postkaleschen" befuhren und die deshalb nicht, wie der Rest der Stadt, im Dreck versinken durfte. Deshalb baute man wahrscheinlich um 1700 unter anderem diesen Abwasserkanal, womit die Hoffnungen der Stadt auf eine neue Sensation leider wieder begraben werden mussten. Noch heute macht er übrigens von sich reden, da sich die Pflastersteine links und rechts des alten Gewölbes langsam absenken und die Straße so immer größere "Falten" wirft.


    Übrigens: Auch unter dem Münchberger Bahnhof, der 1848 im Zuge des Ludwig-Süd-Nord-Bahn-Projektes errichtet worden ist, befinden sich noch mehrere alte Kanate und Felsenkeller, die damals den Bau der Strecke stark gefährdet haben, da man fürchtete, sie würden die Last der Züge nicht tragen können. Einen Teil der Gänge hat man deswegen schlichtweg verfüllt, ohne jedoch darauf zu achten, dass das Material sich im Laufe der Zeit verdichtet und so von Neuem ein Hohlraum unter den Gleisen entsteht. Einer der Gründe, warum im Münchberger Bahnhof keine allzu langen Züge in zu kurzen Abständen hintereinander verkehren dürfen!


    Liebe Grüße,



    Adrian

  • Auch Leupoldsgrün kann da mithalten und seinen eigenen geheimen Gang anmelden. Bei Straßenbauarbeiten in den 70er Jahren wurde ein alter Gang, unmittelbar am Ortseingang von Leupoldsgrün, aus Schauenstein kommend, entdeckt.


    Man erzählt sich, dass in diesem Gang Knochen eines Pferdes und Überreste eines Wagens gefunden wurden. Gans sicher war dies ein Fluchtweg vom Rittergut Hartungs nach Neumühl. :!:

  • Bei meiner Recherche zu Kemlas und Burg Blankenberg stieß ich auch jüngst über einen Geheimgang. So soll eine geheimer Gang zwischen den Burgstall Kemlas und der Burg Blankenberg existiert haben.


    Unter der Saale durch!!!


    Liebe Grüße
    Eva

  • Hallo Eva,


    was gibt es denn für tragfähige Fakten zu diesem Geheimgang?


    Wenn ich mir die rein technischen Voraussetzungen ansehe, habe ich so meine Probleme, ob man diesen Aufwand für einen "Geheimgang" ohne grösseren wirtschaftlichen Nutzen wirklich betrieben hat:


    Höhenlage Kemlas-Blankeneck: etwa 570 m


    Höhenlage der Saale: etwa 410 m


    Höhenlage Blankenberg: etwa 520 m


    Entfernung, selbst wenn man Luftlinie annimmt, etwa 1.200 m.


    Man nimmt also erst einen Höhenverlust von ca. 170 m in Kauf, um unter die Saale zu gelangen und buddelt dann wieder ca. 120 ziemlich steil bergauf, um Blankenberg zu erreichen.


    Das ganze in - soweit ich das beurteilen - kann, ziemlich schweren, teils felsigen Boden. Die Burg Blankenberg z.B. liegt auf einem massiven Felsklotz.


    Gab es den Beziehungen zu den Adligen, die in Kemlas sassen und den Adligen, die in Blankenberg sassen, so dass ein gegenseitiger Fluchtweg Sinn machen würde?


    Bei all diesen Geheimgängen stellt sich doch allzuhäufig heraus, dass es nur irgendwelche Keller waren, die nach wenigen Metern enden. Einen Keller im Burgstall von Kemlas und einen Keller in Blankenberg kann ich mir gut vorstellen, die Verbindung durch einen Gang dazwischen eher weniger. Zudem sind "Geheimgänge" die unter Flüssen durchführen, immer sehr kritisch zu betrachten, die Problematik von Wassereinbrüchen darf hier nicht unterschätzt werden.


    Grüsse
    Jörg

    Fränkische Wahrheit: Zwei Besatzungsmächte haben wir gehabt - die Amerikaner und die Bayern. Die Amerikaner sind wir los.

  • Hallo Jörg,


    es ist eine Unmöglichkeit hier einen geheimen Gang zu bauen. Die Burgen hatten zwar sogar eine Zeit den selben Besitzer aber einen geheimen Gang gab es mit Sicherheit nicht.


    Beide Burgen sind stehen zwar in fast unmittelbarere Nähe zu einander, allerdings befinden sich beide in Steilhanglage ( fast 150 Meter senkrecht runter) und im Tal dann die Saale. (hier so um die 15 Meter breit)


    Was ich noch ins Spiel bringen möchte, ist auch die Tatsache, dass man auch Sauerstoff in einen Gang bringen muss, denn irgendwann wird die Luft etwas knapp.


    Liebe Grüße


    Eva

  • Es fehlen dann natürlich auch noch die Esel-getriebenen Pumpanlagen, um das eindringende Wasser aus dem Gang zu holen! XD Im Ernst: Ich schließe mich Eva und Jörg an - da mir bislang noch niemand auch nur einen dieser ominösen Geheimgänge zeigen konnte und man sicher besseres zu tun hatte, als unterirdische, von Blasebälgen mit Frischluft versorgte Systeme anzulegen, stelle ich ihre Existenz grundsätzlich auf tönerne Füße! Wo immer die Menschen etwas finden, was ihre Phantasie beflügelt, sprießen Aberglauben und Geschichten. Sicher recht amüsant, doch ganz sicher nicht wissenschaftlich fundiert.


    Liebe Grüße,


    Adrian

  • ... stelle ich ihre Existenz grundsätzlich auf tönerne Füße! .... Sicher recht amüsant, doch ganz sicher nicht wissenschaftlich fundiert.


    Ich wollte es nicht so hart und grausam realistisch ausdrücken, aber gebe Dir natürlich hundertprozentig recht!


    Grüsse
    Jörg

    Fränkische Wahrheit: Zwei Besatzungsmächte haben wir gehabt - die Amerikaner und die Bayern. Die Amerikaner sind wir los.

  • Lieber Adrian und Jörg,


    aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass Wasser in Hohlräumen und Stollen auch ohne "Flußunterquerung" ein große Rolle spielt. Als es im Mai 2013 fast nur regnete und die Schneeschmelze erst Mitte April einsetzte, hatte ich bei uns im Friedrich-Wilhelm-Stollen, der ja nun ein Entwässerungsstollen ist, das Gefühl, ich stünde unter einer Dusche. Und das bei einer Überdeckung von 20 Meter. Das Wasser kam aus jeder Ritze! ( Von oben sowie auch von der Seite) Ich hatte damals das Gefühl, ich wäre im Film "Das Boot U96"!


    Das Ganze hatte für mich allerdings auch einen Vorteil: Allen Besuchern wurde schlagartig klar, warum man einen Entwässerungsstollen braucht!


    Alle hatten das "AHA Erlebnbis :P


    Das Wasser, welches sich in dieser Zeit "über" Lichtenberg ergoss, kam erst 3 Wochen später bei uns an - und das war eine "Menge". Meine Güte hat das gerauscht. (Höhenunterschied von der Friedensgrube zum Entwässerungsstollen - 120Meter)


    Da nützen auch keine Esel mehr!!


    Liebe Grüße


    Eva

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