Slawische Wallanlagen in Deutschland


  • Ein interessanter Link, doch scheint es demnach bei uns keine Slawen-Befestigungen gegeben zu haben ...



    Verstehe ich das richtig; dass es bei uns zwar eine Slawen-Besiedelung aber keine Slawen-Befestigungen gegeben hat?



    Zwei Zitate dazu aus dem link von Eva:


    „Die ältesten slawischen Gruppen erreichten von Böhmen her entlang der Elbe das Elbe-Saale-Gebiet. Ihnen schlossen sich in den folgenden Jahrhunderten weitere Stammesgruppen an, die teilweise auch über den Raum östlich der Oder kamen. Zur Zeit Karls des Großen (747 - 814) lebten Slawen in einem Gebiet, das von Nordostbayern über Thüringen, das Elbegebiet bis ins östliche Schleswig-Holstein reichte.“




    „Einhard, der Biograf Karls des Großen, berichtet, Karl habe von seinen Vätern Elbe und Saale als Grenze gegen die Slawen übernommen. Die Linie der beiden Flüsse bildete aber niemals eine scharfe Trennlinie. Vielmehr ist auch westlich davon aufgrund von archäologischen Funden, zeitgenössischen Schriftquellen und Ortsnamen vielfach die Anwesenheit von Slawen nachgewiesen. Sie siedelten dort aber unter fränkischer und später deutscher Oberherrschaft. Daher gab es bei ihnen keine eigenständige Weiterentwicklung, die bis heute nachwirkt.
    Eine von Archäologen belegte Tatsache begründet diese Annahme:
    Westlich von Elbe und Saale gab es nach heutigem Kenntnisstand keine dauerhaften charakteristischen slawischen Burgen.“




    Gruß
    Dieter Heinrich

  • Auch bei uns gab es Befestigungen slawischen Typs, wie dies etwa in Laineck sogar archäologisch festgestellt werden konnte. Deshalb ja der Link mit den Informationen zu den regionalen Verhältnissen. Der Slawenburgen-Link lässt Bayern (Franken) nämlich völlig aus ...

  • In einen Beitrag über Wehranlagen in Oberfranken leitet Hans Jakob einige Flurnamen von altsorbisch *grod?c? ‚kleine Burg‘ ab:


    Die Graitz bei Kirchleus


    Um 1390 Besitz das Kloster Langheim in Kirchleus (Kulmbach) u. a. de lignis nemorum videlicet Ottenhayn, Santleiten, Sturm, Greycz et Lewbschein estimative VIII C agris … Anno 1576 ist Ein hutt im Graitz gelegen urkundlich bezeugt, ferner 1618 2 tagw. veld aufm Graiz sowie Grundstücke im Graitz, untern Graitz.
    Nach freundlich erteilter Auskunft von Bürgermeister Beck gibt es heute noch in der Gemarkung Kirchleus einen Flurteil namens Graitz. Auch hier wird mundartlich Gr?ds gesprochen. Im Jahre 1853 z. B. trägt die Plan-Nr. 710 den Namen hinterm Graiz, die Plan-Nr. 720 hat schon die bemerkenswerte Doppelbezeichnung im Tiefenberg oder Graiz. Der Tiefenberg ist eine Verschreibung von Theisenberg, wie ein Bergkegel etwa 1 km nw. Kirchleus heißt. Er liegt an der Altstraße Kulmbach-Kronach. Auf der scharf ansteigenden Werkkalkstufe erhebt sich ein steiles, nach NW streichendes Schwammkalkriff mit Dolomitüberlagerung, so daß eine schwachgeneigte, ovale Hochfläche gebildet wird. Im NW erreicht das Riff an einem schmal und mehrfach gestuft auslaufenden Bergsporn mit 491 m seine größte Höhe. Nach W fällt die Hochfläche zum Schlottermühl-Bach steil ab, desgleichen nach O zum Grund-Bach. Auch die Süd- und Nordseite sind steil geböscht, so daß auf diesem Berg, auf dessen NW-Teil die Flur Graitz liegt, sich dem siedelnden Menschen günstige Schutzmöglichkeiten boten.


    Von diesen hat man umfassend Gebrauch gemacht, wie eine erste Geländestudie ergab. Auf der Graitz befinden sich nicht nur einfache Abschnittswälle ähnlich denjenigen der bisher geschilderten Burgplätze, sondern auch umwallte Flächen von unregelmäßiger Form mit Innenräumen von beispielsweise 120 : 95 m oder 90 : 75 m. Außerdem verlaufen bermenartige Teilstücke der Umhegung sogar hangabwärts (vgl. die beigegebene Kartenskizze 1). Die Wälle, die aus Weißjura-Feldsteinen bestehen, sind zum Teil noch 2-3 m hoch und gegen 5-6 m breit. Außerdem befinden sich besonders in Hanglage grabhügelähnliche Steinhaufen (Wohnpodien ?), deren Verwendungszweck noch nicht erkenntlich ist. Schließlich fanden sich am Ende des Bergsporns, also in geschütztester Lage, in Trockenmauertechnik errichtete Fundamente von Gebäulichkeiten, die aber wohl nichts mit mittelalterlichen Burgställen gemein haben.
    Der ganze umwallte Komplex erweckt den Eindruck eines Neben- und Ineinanders von Befestigungsanlagen, Kammerflur und Siedlung. Mit Sicherheit kann man sagen, daß diese Anlage bereits im 12. Jahrhundert bestanden hat, weil sie erstens slawisch als Burg bezeichnet wurde, was später nicht möglich gewesen wäre, und weil zweitens um 1390 die Greycz Waldgelände gewesen ist. Somit hat auch hier die amtliche Archäologie die Aufgabe, durch sinnvoll angelegte Ausgrabungen zu klären, ob die Steinwälle und Kammerfluren Ausdrucksform hoch- bzw. frühmittelalterlicher Siedlungsexpansion sind, ob sie von Deutschen oder Slawen geschaffen wurden, oder ob sie gar in die Eisenzeit zurückgehen, wie der Verfasser an anderen Beispielen nachweisen konnte.


    Der Wald Greycz, der vielleicht Jahrhunderte lang die alten Siedlungsspuren überdeckte, wurde im Spätmittelalter teilweise wieder gerodet. Beweis hierfür ist die 1576 bezeugte Hutweide und die 1618 beurkundeten 2 Tagw. Feld aufm Graiz. Noch heute liegt inmitten des Waldes eine Wiese, die mit den schönsten Steinwällen umfriedet ist. Lichtungen mit jungen Aufforstungen und Feldgras künden von ehemaligen Ackerflächen. Man sieht, Schrumpfung und Ausdehnung des Waldes infolge menschlicher Wirtschaftstätigkeit sind auch heute noch nicht zur Ruhe gekommen.
    Weitere slawische FlN wie Leßbach, Diebitzen, Sahracker, Gemitzenacker, Geritzen und Schleritzfleck beweisen u. a. auch neben den ON der nächsten Umgebung das Vorhandensein slawischer Ansiedler im Früh- und Hochmittelalter. Wichtig ist die Erkenntnis, daß der FlN Graitz genau wie das deutsche Burg und Burgstall uns zu noch unbekannten Befestigungsanlagen hinführen kann. Dafür ist die vorliegende Untersuchung geradezu ein Musterbeispiel…“


    Weitere auf altsorbisch *grod?c? ‚kleine Burg‘ beruhende Flurnamen sind:
    - Das Gut zu Grotze (b. Weichenwasserlos/Bamberg) = Turmhügel
    - Der Graitzstein (zw. Stublang u. Frauendorf/Altlkr. Staffelstein) = Abschnittsbefestigung
    - Der Greyzberg (nördl. v. Staffelberg, heute der Alte Staffelberg) = Abschnittsbefestigung
    - Die Deinitz (b. Ehrl/Bamberg) zu *tyn ‚eingezäunter Ort‘ = Abschnittsbefestigung


    Zusammenfassung


    Ohne die archivalische Flurnamenforschung wäre der Nachweis der behandelten fünf slawischen Burgennamen und ihre Topographie nicht möglich gewesen…


    Nach den bisherigen Befunden ist es nicht möglich, aus den geschilderten Burgplätzen, die einen kleinen Flächeninhalt besitzen, Hinweise für eine evtl. Burgenverfassung zu entnehmen, da die Grundvoraussetzungen zu einer solchen fehlen. Eine Burgwardei wäre an folgende Bedingungen gebunden gewesen:
    1. Da eine Besiedlung durch Slawen aus wilder Wurzel heraus im 9./10. Jahrhundert auf dem Jura nicht mehr möglich war, weil dieser Landstrich mit den alten Königshöfen Hallstadt und Königsfeld fest unter fränkischer Verwaltung stand, hätten nur freie Slawen Burgen auf Königsland mit Wissen und Willen des Königs errichten können. Anzeichen der Königsfreiheit sind aber an keinem Platz nachzuweisen.
    2. Am Burgplatz selbst hätte eine slawische Ansiedlung als zentralen Ort des Verwaltungsbereiches liegen müssen.
    3. Das Einzugsgebiet der Burg hätte eine naturräumliche Einheit mit geschlossenen alten slawischen Orts- und Flurnamen umfassen müssen.
    Diese drei Grundvoraussetzungen werden in keinem Falle erfüllt, es hat demnach hier keine selbständige slawische Verwaltung gegeben…“


    Zitate aus Hans Jakob: Slawisch-deutsch benannte Wehranlagen in Oberfranken. In OSG 3 (1967) (= ASAW. Philologische-historische Klasse 58, 4, S. 165-175)

  • Und hier noch ein kleiner namen- bzw. burgenkundlicher Abstecher in die Oberpfalz:


    „SN [Siedlungsname] Teunz, 1326 Teinzen villa, [1326] Teintz … Der Grundform *Tynec < *Tyn?c? entspricht slaw. *tyn?c? ‚kleine umzäunte Siedlung‘ bzw. ‚kleine Burg‘, eine Ableitung von slaw. *tyn? ‚Pfahlzaun, Umzäunung; Burg‘ mit dem Verkleinerungssuffix -?c?. Die Anzahl der parallelen Namen ist besonders im benachbarten Böhmen besonders hoch, vgl. tschech. Týnec, Horšovský Týn/dt. Bischofteinitz … Erwin Herrmann sieht in einem ca. 2 km onö. von Teunz auf dem Wutzelstein gelegenen Burgstall die Überreste einer Burg *Tynec. Deren Namen kann auf das spätere Dorf Teunz übertragen worden sein.“


    Zitat aus Wolfgang Janka: Slawisches in Ortsnamen der ehemaligen Landkreise Oberviechtach und Neunburg vorm Wald. S. 47 f. In: Oberviechtacher Heimatkundliche Beiträge, Band 8/2010 (Tagungsband). Oberviechtach 2010.
    Literaturhinweis in diesem Beitrag: Herrmann, Erwin: Teunz. Ein Beitrag zur Turmhügelforschung. In: Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg 121, S. 439 - 442.


    Zusätzlich habe ich noch in den Beitrag „Zur Etymologie und Struktur der slawischen Orts- und Flußnamen in Nordostbayern“ (1962, S. 368) von Ernst Eichler folgendes gefunden:
    Gradis (Altlandkreis Kötzting): 1280 Graetlisch, 1538 Grädis. – Zu dem häufigen slaw. ON Gradiš?e ‚Burgstätte‘.“

  • Weitere Anmerkungen zum „Gut zu Grotze“ (Lkr. Bamberg)


    Bei diesem Burgnamen ist der seltene Glücksfall bezeugt, dass die ersten Belege die slawische Form reflektieren und die Späteren den deutschen Begriff Burgstall zeigen.
    1177 Gotefridum de Grozze
    1298 mit dem Gvte ze Grotze bi Wazzerlose
    [13. Jh.] (Kopie) de Groetz … Groeze
    1513 ... ein ort holtz im Burgkstal
    1523 im Burgstall
    mundartlich: börgl?
    (Belege und mdl. Form zitiert nach Eichler/Greule/Janka/Schuh: Beiträge zur slavisch-deutschen Namenforschung, Band 1, 78 f.)


    Das Foto mit dem Turmhügel Grotze habe ich angehangen (Leider hat meine Kopie des Aufsatzes nur schlechte Qualität).


    Handelt es sich nun bei Marktgraitz um einen ursprünglichen Burgnamen?
    Man weiß, dass bei früh überlieferten Ortsnamen wie Marktgraitz, sich die ersten Belege von der ursprünglichen Ausgangsform noch nicht allzu weit entfernt haben:
    Ca. 1071 (Kop. v. 1300) Grodez
    1114 Grodeze
    1127 Grodez
    1189 Greuza
    1380 Greitz
    mundartlich: gr?ds
    (Belege zitiert n. Reitzenstein: LFO, 141; mdl. Form n. George: HONB Lichtenfels)


    Also lautlich gibt es keinen Zweifel das der Name von slaw. *Grodec (< *Grod?c?) ‚kleine Burg‘ herrührt. Joachim Andraschke hat zwar, ausgehend vom späteren Beleg 1189 Greuza eine keltische Grundform angesetzt, doch handelt es sich hier schon um eine kontrahierte Namenform.
    Mir ist auch leider nur der burgenkundliche Forschungstand aus den 1960er Jahren bekannt:


    „…Wir wissen noch nicht, ob im Ort selbst eine namengebende Burganlage war. Möglicherweise könnte der Herrenhof der Bamberger Kirche, in welchem Bischof Otto der Heilige am 31.3.1127 auf seiner Reise nach Pommern Herberge nahm, befestigt gewesen sein und somit den Namen bewerkstelligt haben. Es ist aber auch möglich, daß die Namensbildung von der etwa 800 m ssw. der Kirche auf dem Zeulner Berg liegenden Abschnittsbefestigung ausging. Auf einem bis zu 60 m steil abfallenden Keupersporn oberhalb des Zusammenflusses von Rodach und Steinach sind Reste von Wällen und Gräben erhalten, welche eine Fläche von 75:220 m absichern; vorgeschichtliche Lesescherben liegen vor… Wie im Falle Alter Staffelberg könnten auch hier slawische Ansiedler eine vorgeschichtliche Wehranlage benutzt oder weiter ausgebaut haben. Endgültiges wird sich aber erst nach einer Ausgrabung sagen lassen, außerdem müßte noch von Marktgraitz eine gründliche hof- und flurgenetische Analyse durchgeführt werden. Die Burgenfrage bedarf also zu ihrer Lösung noch weiterer intensiver Zusammenarbeit der Disziplinen.“
    Zitat aus Hans Jakob: Slawisch-deutsch benannte Wehranlagen, 174 f.


    Dieter George, der Bearbeiter des Historischen Ortsnamenbuchs von Bayern - Altlandkreis Lichtenfels, sieht hier im Zusammenhang mit den umliegenden Orten Redwitz, Schwürbitz, Zettlitz und (Markt-)Zeuln und dem Berg Göritzen eine slawische Siedlungskammer.


    In den Landkreisen Hof und Wunsiedel ist bisher kein Siedlungs- oder Flurname bezeugt, der sich auf altslawisch *gard- (altsorbisch *grod- bzw. alttschechisch *grad) oder auf slaw. *tyn? zurückführen lässt.
    Der Ortsname Raitschin lässt sich jedenfalls nicht aus alttschechisch *grad bzw. tschechisch hrad ‚Burg, Schloss‘ (so Ziegelhöfer/Hey: 1920, 212; der Wandel von g zu h erfolgte im 12. Jh.) erklären. Das wurde hier im Forum schon anderenorts richtig dargestellt. Die schriftliche Überlieferung von Raitschin setzt erst im 16. Jh. ein (1591 auf der Raitschin, 1601 Ratschin, 1632 auf der Ratschin) und die mundartliche Aussprache lautet r?dš?. Es handelt sich hier um einen neuzeitlichen ursprünglichen Flurnamen, der sich wahrscheinlich mit Bergbau in Verbindung bringen lässt (im zweiten Namensteil wohl zu schine ‚Vermessung der Bergwerksgruben‘; Quelle: Höllerich: HONB Rehau-Selb, 56 f.)
    Auffällig sind allenfalls die beiden Ortsname Osseck (zu slaw. *os?k ‚Verhau‘, Eichler: NOB, 373). In Böhmen ist zwar 1341 ein castrum Ossek (Profous: Místni jména 3, 287 ff.) bezeugt, doch ist bei den Hofer Ossecks zunächst nur an einen „durch einen Verhau geschützten Platz“ zu denken.

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