Viele von uns, die sich schon seit längerer Zeit mit der Heimatforschung befassen, wissen die Sage bereits als wichtige Quelle für ihre Arbeit zu schätzen, doch warum ist das so? Gerade in der Heimatkunde können wir uns meist nur auf schriftliche Überlieferungen berufen, die von Gelehrten oder Mönchen verfasst worden sind und somit meist nur das Leben der "Höheren" darstellen, nicht aber das der einfachen Bevölkerung. Ihr Alltag war geprägt von der immerwährenden Angst vor dem ewigen Höllenfeuer, eine Furcht, die die Kirche gut für ihre Zwecke zu nutzen verstand. Noch im 19. Jahrhundert schreibt Camille de Tournon, der Provinzverwalter der franz. Besatzer, von einem ausgeprägten Aberglauben in den Reihen der Bevölkerung. Der Sagenschatz des Fichtelgebirges ist einer der reichsten Deutschlands, was wir mit großer Wahrscheinlichkeit der ländlichen Atmopshäre zu verdanken haben, die hier noch vor knapp 70 Jahren spürbar gewesen ist. Erst in den letzten 100 Jahren hat sich allmählich ein neuer Geist breit gemacht und den Glauben der Ahnen an Holzweiblein, Reiter ohne Kopf, Teufelshunde etc. verdrängt. Gott sei Dank, haben schon damals einige den Wert dieser meist mundartlich überlieferten Sagen begriffen und sie in schriftlicher Form fixiert. Sie erlauben uns noch heute Einblicke in eine längst vergangene Welt und erfreuen sich, wie ich selbst bei meinen Sagenführungen am Waldstein immer wieder feststellen kann, wachsender Beliebtheit, denn wenn wir ehrlich sind, verspüren wir alle noch heute einen leichten Schauer, wenn wir nachts durch die Wälder streifen und es im nahen Gebüsch raschelt: Es könnte ja eine geisterhafte Erscheinung sein, die in klaren Vollmondnächten ihr Unwesen treibt.
Adrian Roßner