Der Luftangriff auf Münchberg im Jahre 1940

  • Liebe Forumsteilnehmer,


    An anderer Stelle habe ich euch bereits vor einiger Zeit einmal versprochen, einen kurzen Beitrag zum Luftangriff auf Münchberg zu verfassen - ein Versprechen, das ich nun einlösen möchte.


    Auch wenn die Schrecken des Krieges nun schon beinahe 70 Jahre zurückliegen, so sind die Wunden in der Landschaft und in der menschlichen Seele bis heute nicht verheilt. Vielerorts finden sich Denkmäler und in manchen Städten, wie etwa Kirchenlamitz, erinnern eigene Abteilungen in den Friedhöfen an die Opfer eines der dunkelsten Zeitalter der deutschen Geschichte. Trotz der relativen Nähe dieser Ereignisse zu unserer heutigen Gegenwart und der leider immer geringer werdenden Zahl an Zeitzeugen, blieben doch manche Mysterien bis heute im Dunkel der Geschichte verborgen. Ich habe mich im Zuge meines letztjährigen Vortrages "Münchberg im Schatten des Reichsadlers" nicht allein auf eine Spurensuche nach Relikten der nationalsozialistischen Herrschaft gemacht, sondern auch die Vorgänge während des Krieges an sich zu beleuchten versucht.


    Ich nehme an, einige von euch haben schon einmal davon gehört, dass die ersten Bomben, die über Bayern abgeworfen worden sind, die kleine oberfränkische Münchberg trafen. Aufgrund dieser mittlerweile von vielen als Übertreibung bezeichneten Anekdote, habe ich mich auch mit eben jenem Luftangriff befasst, der in der Nacht vom 16. auf den 17. August 1940 erfolgte, was tatsächlich unglaublich früh ist, doch sei es mir hier gestattet, die Be- oder aber Widerlegung der Anekdote jedenfalls für's Erste auszulassen.


    Dank der im Stadtarchiv Münchberg erhaltenen Unterlagen der SchuPo (Schutzpolizei), können wir den Verlauf eben jenes Angriffes beinahe schon minutiös rekonstruieren: Münchberg galt demnach als Luftschutzort Klasse III und verfügte somit neben einer Feuerwehr und einem Sanitätsdienst auch über einen Instandsetzungsdienst, Fachtrupps sowie über Melder und Turmbeobachter. Das Warnsignal bei einem drohenden Luftangriff wurde durch eine auf dem Rathaus befindliche Sirene, sowie durch zwei Fabriksirenen gegeben; sollte eine Warnung ausgegeben werden, so muss diese über den "fernmündlichen" Weg (via Telefon) an die Stadtverwaltung weitergeleitet werden, die dann die Bevölkerung durch Inbetriebnahme der Sirenen zum Aufsuchen der Luftschuzräume im Rathaus und einigen Privathäusern aufruft.


    In der Nacht vom 16. auf den 17. August "war der Himmel unbedeckt, heller Mondschein [und die] Sicht sehr gut", als von der Polizeidirektion Hof über eben jenen fernmündlichen Weg Fliegeralarm gemeldet worden ist. Um 0.45 Uhr wurde durch die Sirenen die Bevölkerung geweckt und dazu aufgefordert, die Schutzräume aufzusuchen, bevor sich gegen 0.46 Uhr starkes Motorengeräusch aus Richtung Hof näherte. "Kurz darauf erschien 1 oder 2 mehrmotorige Tiefdecker [...] in einer Höhe von etwa 2000 m." Laut Aktenlage, verringerten die Flugzeuge die Höhe und begannen, über der Stadt zu kreisen, woraufhin um 1.20 Uhr "mehrere dumpfe Einschläge in südwestlicher Richtung [vernommen wurden]". Nachdem die Flieger abgedreht hatten, kamen sie gegen 1.44 Uhr wieder zurück, kreisten abermals über der vorher genannten Stelle und warfen neben einigen Brand- und Sprengbomben auch eine Leuchtbombe über der Stadt ab. Der Fliegeralarm wurde um 3.16 Uhr von der Polizeidirektion Hof aus für beendet erklärt. Schäden sind vor allem an der Aktienfärberei festgestellt worden, über der der Flieger seine Kreise zog. Personenschäden sind nicht zu beklagen, doch wurden zwei Mann verletzt.


    Soweit also die Fakten, doch stellt sich nun natürlich die Frage, woher diese ominösen Flieger kamen und welches Ziel sie verfolgten. Noch heute hört man in Münchberg, dass es sich dabei um deutsche Bomber gehandelt haben soll, die aufgrund eines Defekts Treibstoff verloren hätten und sich somit der Bombenlast entledigen mussten. Diese These ist insofern einfach zu widerlegen, da deutsche Bomber bei einem Notabwurf sicher nicht für alles in allem knapp 30 Minuten über nur einem Punkt gekreist hätten, sondern vielmehr eine Art Schneise hinter sich hergezogen hätten. Da die Amerikaner erst mit dem japanischen Überfall auf Pearl Harbor 1941 in den Krieg gezwungen wurden, fallen auch sie aus. Weiterhin gibt es die These, dass man versucht hätte, den privaten Panzerzug von Adolf Hitler zu treffen, der angeblich in dieser Nacht auf dem Ladegleis der Aktienfärberei abgestellt gewesen wäre. Wie ich bereits an anderer Stelle schrieb, lassen sich tatsächlich Besuche des "Führers" in Münchberg nachweisen, doch weilte sein Zug im Jahr 1940 kein einziges Mal in in der Stadt. Zudem befanden sich am vorderen und am hinteren Ende offene Güterwagen mit Flakgeschützen, die im Falle eines Angriffes sicher abgefeuert worden wären. Eine interessante Theorie stellt indes Dr. Harald Dill in seinem Buch "Der Luftkrieg über Nordostbayern" auf, wenn er schreibt, dass britische Wellington-Bomber der 149. RAF-Squadron in dieser Zeit über unserer Region unterwegs gewesen waren und dass einer davon am nächsten Tage in der Nähe von Coburg abgeschossen worden ist. Nach einer Anfrage beim RAF-Museum erhielt ich zur Antwort, dass die 149. Squadron zu diesem Zeitpunkt nicht mehr über Deutschland im Einsatz war.


    Welcher Nation nun also die Bomber angehörten, die mit Münchberg eine keineswegs kriegsrelevante Stadt angriffen (erste Rüstungsfabriken wurden erst 1943 hierher verlegt), lässt sich nicht feststellen, doch konnten Martina Michel und ich die Leuchtbombe von damals in einem Karton auf dem Dachboden des Stadtarchiv sicherstellen. Zudem belegen Photos und die offiziellen Berichte den Verlauf des Angriffs, dessen Gehemnis hoffentlich bald dem Dunkel der Geschichte entrissen werden kann.


    Liebe Grüße,


    Adrian Roßner

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