Neue Erkenntnisse bezüglich des Döhla-Tagebuches

  • Lieben Foren-Mitglieder,


    Vor einiger Zeit war hier eine Diskussion am Laufen, die sich mit dem "Verkauf" von Soldaten durch den damaligen Markgrafen befasst hat. Ich habe bewusst ein neues Thema eröffnet, um euch nun einige neue Erkenntisse mitteilen zu können, die ich für recht interessant halte:


    Ihr erinnert euch sicher noch an das Tagebuch des Zeller Soldaten Johann Conrad Döhla, das ich einigen von euch auf Anfrage auch auf einer CD zugeschickt habe - mittlerweile stehe ich im Kontakt mit einem Herrn aus Bayreuth, der sich mit dieser Quelle des Unabhängigkeitskrieges befasst hat und aufgrund seines Wissens um dieses Kapitel der amerikanischen Historie eine spannende Geschichte beleuchtet hat. Johann Döhla diente zwar im Unabhängigkeitskrieg in Amerika und hat sich auch im Felde handschriftliche Notizen gemacht, doch entstand sein Tagebuch erst 28 Jahre später, also 1811, für einen Bekannten aus Münchberg namens Holper. Nun beginnt eine wahre Odyssee des Originals durch viele Hände, was wahrscheinlich auch dazu geführt hat, dass es bis heute als verschollen gilt. Allerdings haben sich mehrere Abschriften davon erhalten, deren Entstehungsgeschichte hier kurz vorgestellt werden soll:


    Der Sohn des oben erwähnten Holper aus Münchberg fertigte eine Abschrift der Döhla-Notizen an und schickte sie telegraphisch an einen Verwandten in Münchnen. Von dieser Abschrift wurden nun wiederum zwei Kopien hergestellt, von denen sich eine im Besitz des HVO befindet. Dieses Exemplar diente dem Autor des AO-Artikels als Quelle, wurde jedoch zur Veröffentlichung von jenem editiert und abgeändert. Durch den Fund verschiedener anderer Tagebücher aus jener Zeit und durch detailierte Recherchen ist es nun gelungen, das Döhla-Tagebuch als stark verschönten Bericht zu identifizieren. Der Autor hat keineswegs alle Kampfhandlungen, die im Tagebuch beschrieben werden, selbst miterlebt, sondern im Nachhinein aus Zeitungen etc. abgeschrieben und es scheint so, als habe er auch von den Tagebüchern anderer Soldaten Passagen kopiert, um seine Erzählung interessanter zu machen. Man kann infolge dessen, aufgrund der Vorgehensweise Döhlas und wegen der zu häufig angefertigten Kopien und Abschriften, das Tagebuch des Soldaten Karl Döhla nicht als 100%-glaubwürdige Quelle des Unabhängigkeitskrieges bezeichnen.


    Adrian

  • Lieber Herr Roßner,


    da ich mich schon seit einigen Jahren intensiv mit den in den USA gehandelten Tagebüchern und Aufzeichnungen von Teilnehmern am Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg aus den verschiedensten deutschen "Entsenderstaaten" beschäftige habe ich mich angesichts Ihres Beitrages an einem Forumsbeitrag von Helmut Merz erinnert, den ich als Ergänzung zu Ihren Feststellungen hier anfügen möchte. Helmut Merz war allen in Kanada und den USA lebenden Nachfahren von 1776 - 1783 desertierten Soldaten der kompetente Ansprechpartner wenn es um das Aufspüren der Wurzeln der desertierten Soldaten ging. Er hat seine Kenntnisse in mehreren Büchern niedergeschrieben. Leider ist er verstorben ( siehe beigefügtes Bild ). Einen anderen Weg hat, der in diesem Frühjahr verstorbene Bruce.E.Burgoyne eingeschlagen. Er hat in großer Anzahl die verschiedensten Tagebücher und Aufzeichnungen in die Englische Sprache übersetzt und diese Tagebücher kommerziell verwertet. Darunter auch eine Übersetzung des Döhla Tagebuches, welches wohl mit den erwähnten Unzulänglichkeiten ausgestattet ist.


    http://www.doverpost.com/newsn…OBITUARY-Bruce-E-Burgoyne


    http://www.oupress.com/ECommer…e%20american%20revolution


    Viele Tagebücher sind "Nachzeichnungen und aus der Erinnerung entstanden" . Prominentester Vertreter ist hier Johann Gottfried Seume, der 1813 in seinem Werk " Mein Leben" "detailliert über seine Zeit als geworbener Soldat der Truppen von Hessel-Kassel in Halifax 1782/1783 berichtet. Bedingt durch das nahende Kriegsende hat er seine vorgesehene Einheit nie erreicht und ist mit allen anderen Rekruten im Spätsommer 1783 nach Deutschland zurückgekehrt. Was ist Dichtung und was ist Wahrheit ?




    From: "John H.Merz" < hessian@cogeco.ca>
    Subject: [HESSENLAND] Re: Doehla Tagebuch ....
    Date: Sun, 9 Feb 2003 11:51:52 -0500
    References: <3E4678B9.90707@t-online.de>



    Hallo Hessenland and Frankenlaender!
    Mein Freund Horst Lochner aus Bayreuth, ein Historiker
    und Foerderer zur Geschichte Frankens und der Bayreuther
    Soldaten, hat dieses zu sagen ueber das Doehla Tagebuch.
    Er kennt es von der ersten bis zur letzten Seite.
    Er hat ein paar ueberraschende Tatsachen zu vermerken.


    ----- Original Message -----
    From: Lochner Horst
    Sent: Sunday, February 09, 2003 10:50 AM
    Subject: Doehla ....


    Hallo John


    Am Doehla , da kann man sich die Zaehne ausbeissen.
    Zunaechst muss es richtig Döhla heissen.
    Das oe kam nur durch die franzoesische schreibweise. Nicht von
    Franzosenen aber von Deutschen geschrieben.Schliesslich war
    damals franzoesisch Weltsprache und Englaender und Deutsche
    konnten nur franzoesisch miteinander kommunizieren.


    Der Doehla hat sein Tagebuch 1811 fuer seinen Kriegskameraden Holper
    (aus Muenchberg) geschrieben.
    Dabei hat er seine eigenen Notizen, im Felde gefuehrt,
    als Grundlage genommen.
    Der Krieg war zu diesem Zeitpunkt bereits 28 Jahre vorbei und so wird
    er nicht mehr alles genau gewusst haben.
    Ich konnte kuerzlich feststellen, dass er aus dem Popp Tagebuch
    seitenweise abgeschrieben hat.
    Popp hat sein Tagebuch wesentlich frueher ins Reine geschrieben;
    das Original lag mir kuerzlich vor und ich konnte an Hand zusaetzlicher
    Bemerkungen feststellen, dass es vor dem 9. August 1795 umgeschrieben


    hat- wahrscheinlich schon viel frueher.
    Jetzt koennte ich mich weiter ueber Popp auslassen.... ein andermal.
    Doch zurueck zu Doehla:
    Also er hat nicht nur hier abgeschrieben, er hat auch seitenweise aus den
    Bayreuther Zeitungen Wort fuer Wort abgeschrieben.
    Also als erstes hat der Autor selbst sein Werk verstuemmelt.


    Wilhelm von Waldenfels war lange Zeit Vorsitzender des Historischen
    Vereins von Oberfranken (in Bayreuth) und dieser Verein hatte um 1890
    von einem Nachkommen des Holper eine Abschrift des Doehla Tagebuchs
    erhalten.
    Es muss sicher richtig heissen: Abschrift von Abschrift von Abschrift.
    Diese Abschrift liegt immer noch in der Bibliothek des Hist. Vereins von
    Oberfranken : in der Uni Bibliothek Bayreuth.
    Es sind - wie sich vor kurzem herausstellte - viele Fehler beim Abschreiben
    passiert: die zweite Verstuemmelung.
    In dieser Abschrift ist fein saeuberlich mit Bleistift durchgestrichen, was von
    Waldenfels in seiner Bearbeitung nicht mit uebernommen hat. Er hat es
    einfach ausgelassen.
    Also bereits die dritte Verstuemmelung.
    Diese Arbeit des v. Waldenfels ueber das Doehla Tagebuch erschien
    1912 / 1913 im Jahresband des Historischen Vereins von Oberfranken.
    (in Bayreuth)
    Er bluffte Historiker weltweit. Kein Mensch hat das bieher gemerkt.
    Eine Schande.


    Der Bancroft , amerikanischer Gesandter in Deutschland, hat um 1870
    alles erreichbare ueber den Unabhaengigkeitskrieg aus den Archiven in
    Deutschland zusammengetragen und nach USA transferriert. Das liegt
    dort in der New York library.
    Da ist auch eine - wie sich jetzt herausstellte fruehe - Abschrift des
    Doehla Tagbeuchs dabei.
    Die holte ich mir im Mai letzten Jahres.(Microflim Kopie; habe ich nach
    Bearbeitung dem Hist. Verein spendiert)
    Ich glaubte ich haette das Original.
    Nein.


    Durch Literaturhinweise bin ich im Oktober 2002 auf das Buch


    Jahrbuch der Deutsch- Amerikanischen Gesellschaft von Illinois
    (1917) gestossen .
    Das ist in Deutsch geschrieben und ich habe dann wahrscheinlich
    das einzige erreichbare Exemplar in Deutschland erwischt.
    Es ist jetzt in meiner eigenen Bibliothek.
    Da ist u.a. auch das Doehla Tagebuch abgedruckt - aber in einer besseren
    Form als in der New York library.
    Das muss direkt vom Original stammen.


    Der Bruce E. Burgoyne hat fuer sein Buch die 1912/1913 Ausgabe des
    von Waldenfels genommen und durch Uebersetzungsfehler und
    Ungenauigkeiten (nicht nur bei dieser Arbeit !!!!!) fuer weitere Verwirrung gesorgt.
    Das ist die vierte Verstuemmelung.
    Nur zu, liebe Historiker!


    Gruesse Horst
    9.Februar 2003




    Ich hoffe dies ist auch für die anderen Forumsteilnehmer gut zu wissen.


    Herzliche Grüße von der Saale an die Saale


    Rolf Wahl

  • Hallo, Herr Wahl,


    Vielen Dank für Ihren informativen Beitrag! In der Tat war es auch Horst Lochner, der mir seine Unterlagen zum Tagebuch zugeschickt hat und auf den ich mich im vorangegangenen Beitrag berufe. Ich werde ihn fragen, ob es eventuell in Ordnung gehen könnte, seinen Aufsatz zum Tagebuch ins Forum zu stellen!


    Liebe Grüße,


    Adrian Roßner

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