Fleihbrücken, Abort, Abtritt

  • Hallo Zusammen,


    es gibt Stadtratsbeschlüsse zu Fleihbrücken in Hof bis 1945, (Stadtarchiv 105), (Stadtarchiv 148/149), (Stadtarchiv 143), die Fleihbrücken wurden auch errichtet, wie ihr alle sicher wisst. Mein Frage nun dazu, war das Wasser denn sauber genug in dieser Zeit?


    Dann noch zu den Abtritten und Aborten. Hatte man Sickergruben bis es zur Kanalisation kam? Vor 1823 gab es ja mitunter Streit unter den Hausbesitzern, weil der Inhalt der Aborte in das Mauerwerk eindrang und auch auf die Straße lief.


    Danke schon mal im voraus für eure Antworten. Ich freue mich darauf.


    MfG Loni Reißer

  • Hallo Loni,


    Ich denke, die Frage nach der Sauberkeit des Wassers stellt sich nicht unbedingt: Wenn die Fleihbrücken nachgewiesen werden können und demnach gesichert existierten, ist das ein Fakt. Ob es indes tatsächlich etwas brachte, die Kleidung in verunreinigten Bachläufen zu spülen, sei dahingestellt, doch werden damals nicht viel andere Möglichkeiten existiert haben.
    Ein Beispiel aus Münchberg: Die Wasserversorgung datiert hier bei den ältesten Teilen (gemauerte Kanatsysteme unter der Ludwigstraße) in das 18. Jahrhundert. Ca. einen Meter hohe Gewölbegänge unterquerten damals den Markt und dienten als eine Art cloaca maxima, die den Unrat in die nahe Pulschnitz beförderte. Daneben konnte durch Holzrohre geschleustes Quellwasser aus zwei bis drei Schächten an verschiedenen Brunnen innerhalb der Stadt geschöpft werden. Auch hier fleihte man die Kleidung nach dem Waschen mittels hölzerner Konstruktionen an der Pulschnitz aus, wovon sich noch einige Ansichten aus den 1920er Jahren erhalten haben. Wenngleich zu dieser Zeit bereits mehrere Fabriken in den Bach entwässerten, hatte man demnach schlicht keine andere Möglichkeit, als darauf zurückzugreifen - zumal ein anderes Verständnis von "Sauberkeit" vorherrschte. Es ging nicht darum, blütenreine Hemden zu haben, sondern lediglich den gröbsten Dreck zu entfernen. Die heute verbreitete Auffassung, dass "Perls", "Anti-Flecken-Kraft" etc. wirlich alles aus der Kleidung herausbekommen müssen, war noch vor 90 Jahren vollkommen unbekannt.


    Liebe Grüße,


    Adrian

  • Hallo Loni,


    Wesentlich zur Verschmutzung der Saale trugen auch die Rehauer Lederfabriken bei, deren Abwässer völlig ungereinigt über die Schwesnitz in die Saale flossen. Neben Chemikalien wie Alaunverbindungen und Salzen zur Konservierung der Häute waren hier die oft schon in Fäulnis übergegangenen Fleischreste von den Innenseiten der Häute verantwortlich für den teils bestialischen Gestank der Saale, vor allem in den Sommermonaten.
    Nachlesen kann man darüber bei Rudolf Macht: Niederlage. Geschichte der Hofer Arbeiterbewegung. Band 3/2 (1924 - 1945), Hof 1996, S. 288.


    Trotz dieser Verschmutzungen gab es in Hof um 1880 eine Flußbadeanstalt an der Saale (Flußbadeanstalt Popp in der Vorstadt, Foto in: Hoermann-Verlag (Hrsg.): Mit der Kamera durch Alt-Hof, Hof 1984, S, 52).


    In diesem Buch findet sich auf S. 128 auch ein Foto der Fleihbrücken am Mühlgraben.


    Die Aborte waren an Gruben angeschlossen, die je nach Bedarf leergepumpt wurden. Diese Fäkaliengruben waren noch lange nach dem 2. Weltkrieg vorhanden. Ich erinnere mich aus meiner Kindheit in den 1950er und frühen 1960er Jahren noch deutlich an den für uns Kinder technisch ungeheuer interessanten Vorgang des Leerens dieser Gruben.
    Irgendeine biologische Klärung oder andere technische Vorrichtungen waren nicht vorhanden, das waren einfache ausgemauerte Gruben, die durch geeignete Mittel abgedichtet waren, z.B. durch einen Teer- oder Asphaltanstrich, der in größeren Abständen immer wieder erneuert werden sollte,
    Die Kanalisation entsorgte zunächst nur die Abwässer aus den Küchen und den Bädern (soweit vorhanden), „Wasserklosetts“ waren noch die große Ausnahme und nur in Neubauten vorgesehen.
    Die Entleerung der Gruben erfolgte in Hof meistens durch die Stadtwerke, die dafür eigene Fahrzeuge hatten. Der Volksmund nannte diese Fahrzeuge spöttisch „die städtische Artillerie“, wohl wegen der dicken Schläuche, die zum Abpumpen in die Gruben versenkt wurden und die an Kanonenrohre erinnerten.


    In anderen Gemeinden waren dafür Privatunternehmer zuständig, z.B. in Rehau die Firma Böhme, die immer noch groß im Entsorgungsgeschäft tätig ist. Häufig übernahmen diese Aufgabe auch Bauern aus der Verwandtschaft oder Bekanntschaft. Der Inhalt dieser Tankwagen wurde durchaus zur Düngung von Feldern verwendet.


    Grüße
    Jörg

    Fränkische Wahrheit: Zwei Besatzungsmächte haben wir gehabt - die Amerikaner und die Bayern. Die Amerikaner sind wir los.

  • Hallo,


    in Ergänzung der vorstehenden Beiträge:
    Ich bin heute per Zufall beim Münchner Digitalisierungszentrum auf eine
    "Sammlung ortspolizeilicher Vorschriften für die Stadt Hof" (Hof 1875) gestoßen.
    Hier ist auf den S. XLVII - LI ausführlich beschrieben, wie die "Abtritt-, Dung- und Versitzgruben" auszuführen sind.


    Das gesamte Buch ist verfügbar unter
    https://download.digitale-sammlungen.de/pdf/1456760527bsb11313505.pdf
    Grüße
    Jörg

    Fränkische Wahrheit: Zwei Besatzungsmächte haben wir gehabt - die Amerikaner und die Bayern. Die Amerikaner sind wir los.

  • Die letzte Antwort auf dieses Thema liegt mehr als 365 Tage zurück. Das Thema ist womöglich bereits veraltet. Bitte erstellen Sie ggf. ein neues Thema.

    • :)
    • :(
    • ;)
    • :P
    • ^^
    • :D
    • ;(
    • X(
    • :*
    • :|
    • 8o
    • =O
    • <X
    • ||
    • :/
    • :S
    • X/
    • 8)
    • ?(
    • :huh:
    • :rolleyes:
    • :love:
    • :pinch:
    • 8|
    • :cursing:
    • :wacko:
    • :thumbdown:
    • :thumbup:
    • :sleeping:
    • :whistling:
    • :evil:
    • :saint:
    • <3
    • :!:
    • :?:
    Maximale Anzahl an Dateianhängen: 10
    Maximale Dateigröße: 3 MB
    Erlaubte Dateiendungen: bmp, gif, jpeg, jpg, pdf, png, txt, zip