Machtergreifung Hitlers


  • Am 30. Januar 1933 wurde Hitler von Hindenburg zum Kanzler ernannt. Achtzig Jahre nach dieser "Machtergreifung" beschäftigten sich nahezu alle Medien mit diesem Datum. So auch die Frankenpost, welche einige regionale Aspekte beisteuerte. Nachfolgend einige Aussagen, welche für mich recht interessant waren:


    So war Coburg die erste deutsche Stadt, in der die NSDAP die Mehrheit im Stadtrat erringen konnte. Nachdem Adolf Hitler am 22. Juni 1929 in Coburg einen großen Auftritt hatte, gewann die NSDAP bei den Stadtratswahlen am 23. Juni 1929 in Coburg 13 von 25 Stadtratssitzen.


    Anders dagegen in Hof und Selb. Obwohl Hitler mehrmals hier sprach, konnten die SPD und die Kommunisten die Mehrheit in den beiden Stadtparlamenten behaupten. Nach der Machtergreifung im Januar 1933 wurden dann sehr schnell führende SPD- und KPD-Mitglieder aus Hof und Selb verhaftet, wie die Frankenpost berichtet. Bereits 1929 war in Hof der "Nationalsozialistischer Lehrerbund" gegründet worden, der bereits 1933 über 12000 Mitglieder hatte.


    Am 7. und 8. April 1928 fand in Bad Steben das erste große Reichstreffen der Hitlerjugend statt. Bad Steben wird dadurch zu einem wichtigen Meilenstein für den Aufbau der Hitlerjugend in Deutschland. Mehr als 10000 Menschen waren am 16. Juni 1929 bei einer Massenveranstaltung, auf welcher auch Adolf Hitler sprach, nach Schwarzenbach am Wald bzw. zum Döbraberg gekommen.


    Einige, wie ich finde, interessante Einblicke in unsere Geschichte. Wie sah es denn in den anderen Gemeinden/Städten unser Heimatregion aus, wie in Münchberg, Kulmbach, Bayreuth, Marktredwitz ...


    Gruß Dieter



    siehe auch Frankenpost vom 30.01.2013

  • Das ist ein weites Thema, dass Du hier anreißt. Dazu gibt es eine ganze Reihe von interessanten Arbeiten, von denen ich einige in beigefügter Literaturliste zusammengestellt habe.


    Dazu könnte man sich über viele Seiten auslassen. Ich will es hier bei einigen Punkten bewenden lassen.


    Die NSDAP hatte in Hof bereits im November 1922 eine Ortsgruppe, nach Aufhebung des Parteiverbots kam es bereits am 13.3.1925 zur Neugründung, die nach den damaligen Polizeiberichten sofort wieder eine „der stärksten Ortsgruppen“ war.


    Hof hatte schon im Januar 1923 eine Gruppierung der SA. Die im Juli 1926 formierte Hofer Hitlerjugend war die zweitälteste im Deutschen Reich. Auch SS-Gruppierungen sind bereits 1929 in Hof, Kronach und Selbitz dokumentiert.


    Hitler kam bereits am 16.09.1923 während des in Hof mit grossem Aufwand durchgeführten „Deutschen Tages“ zum erstenmal als Redner nach Hof. Der „Deutsche Tag“ fand dann seine Fortsetzung in den Veranstaltungen auf dem Döbraberg 1929, wo schon die Choreographie der Inszenierungen der Reichsparteitage anklang.


    Auch die von Schemm initiierte Wahlkampftaktik der NSDAP ist einer Betrachtung wert. Es wurden äußerst geschickt alle juristischen und organisatorischen Möglichkeiten genutzt, um behördliche Verbote und Auflagen zu umgehen und die mentale Stimmung der Bevölkerung auszunutzen. Die anderen Parteien schafften es bis 1933 nicht, diesem wirkungsvollen Vorgehen der NSDAP etwas entgegenzusetzen. Zudem beherrschte ab spätestens 1930 die SA auch in gewaltsamen Auseinandersetzung die Straße, so dass Redner gegnerischer Parteien kaum mehr zum Zuge kamen. Andere Parteien mussten es örtlich bereits als Erfolg empfinden, wenn sie unter starken Polizeischutz ihre Versammlungen abhalten konnten. (Bericht Bezirksamt Hof, 21.10.1930).


    Wenn ich mir das Vorgehen der heutigen Neo-Nazis anschaue, drängen sich oft frappierende Übereinstimmungen mit den Praktiken auf, die Schemm vor 1933 anwandte.


    Schon zur Jahreswende 1928 / 1929 litten die etwa 25 jüdischen Familien in Hof nicht so sehr unter der "Gefährdung ihrer Sicherheit, wohl aber unter dem ... ganz besonders scharfen gesellschaftlichen Boykott .... Die Juden lebten in Hof geradezu wie im Gefängnis." (Bezirksamt Hof an Reg. v.Ofr., 23.1.1929). Jüdische Kinder wurden auf dem Schulweg bedroht und geschlagen, ein jüdischer Abiturient 1931 von seinen Mitschülern nicht zur Schlußfeier zugelassen (Bezirksamt Hof an Reg. v.Ofr., 4.4.1931)


    Diese vorstehend nur skizzierten Aspekte lassen sich auch in anderen Gemeinden unserer Region nachvollziehen, man findet dazu sehr viel Material bei Hambrecht, Rainer: Der Aufstieg der NSDAP in Mittel- und Oberfranken (1925-1933) und bei Kühnel, Franz: Hans Schemm (siehe beigefügte Literaturliste.


    Ein weiterer Gedanke
    Was mir z.B. bei der überschlägigen Betrachtung der Hofer Reichstags-Wahlergebnisse vor 1933 auffiel, ist folgendes: Anscheinend ist es vor allem der NSDAP, in geringerem Umfang wahrscheinlich auch der KPD gelungen, ab 1928 viele Nichtwähler zu mobilisieren. Die Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen stieg von ca. 20.500 im Jahre 1924 über etwa 22.800 im Mai 1928 auf 25.200 im September 1930 und ca. 25.300 im Jahre 1932.
    Diese Stimmen landeten vor allem bei der NSDAP, da die Stimmenverluste der anderen Parteien nicht so gravierend waren, um diese Wählerwanderung zu erklären
    Die NSDAP erhielt in Hof an Stimmen:
    1928: 3560, 1930: 7577, Juli 1932: 13353.
    Die Bevölkerungszahl Hofs wuchs meines Wissens in diesen wenigen Jahren nicht nennenswert, kann also nicht als Erklärung herhalten. Es wird sich allerdings nur schwer nachvollziehen lassen, aus welchen Kreisen diese Nichtwähler stammten. Ein Zusammenhang besteht sicher mit dem Anstieg der Arbeitslosigkeit in der Zeit der Weltwirtschaftskrise ab 1929/1930.

  • hast du auch Informationen über meine Heimatgemeinde Leupoldsgrün oder Lipperts?


    Nein - habe ich leider nicht.


    Aber gib in Google einfach Leupoldsgrün NSDAP ein:
    https://www.google.de/search?q…official&client=firefox-a


    Es kommen eine ganze Reihe Hinweise, z.B. zum Lager Leupoldsgrün beim Bau der Reichsautobahn
    http://books.google.de/books?i…gr%C3%BCn%20NSDAP&f=false
    Das hier erwähnte mehrbändige Sammelwerk "Bayern in der NS-Zeit" bietet sicher noch mehr Hinweise zu Leupoldsgrün.


    Du könntest Dir auch das Buch von Hambrecht (Aufstieg der NSDAP) über Fernleihe besorgen und dort prüfen, ob Leupoldsgrün erwähnt ist.


    Dann lohnt es sich sicher, Zeitungen der damaligen Zeit auszuwerten (Stadtarchiv Hof), z.B. für die Zeiten der jeweiligen Wahltage finden sich sicherlich Notizen über mögliche Vorkommnisse in Zusammenhang mit politischen Auseinandersetzungen.


    Wenn Du mehr Aufwand treiben willst, bleibt nur der Weg in die Archive (Bamberg), um die Monatsberichte der Bezirksämter oder der Polizei einzusehen.

    Fränkische Wahrheit: Zwei Besatzungsmächte haben wir gehabt - die Amerikaner und die Bayern. Die Amerikaner sind wir los.

  • Aus der Bayerischen Rundschau vom 30. Januar 2013:


    Kulmbach vor dem großen Sturm

    Machtergreifung, Hitlers Ernennung zum
    Reichskanzler am 30. Januar 1933 wird von den Nazis in der Bierstadt
    erst zwei Tage später mit einem Fackelzug und Großen Zapfenstreich
    gefeiert. Fünf Wochen später sind sie schneller: Sie „erstürmen“ als
    Erste in Bayern ein Rathaus.

    VON UNSEREM MITARBEITER
    Wolfgang Schoberth


    Kulmbach - Kulmbach war eine der frühesten NS-Hochburgen in Franken. Doch heute vor 80 Jahren tut sich nichts. Keine „Sieg Heil“-Rufe, keine patriotischen Reden. Während in den meisten Städten die Anhänger nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler grölend und feiernd durch die Straßen ziehen, bleiben die Kulmbacher Parteigenossen zuhause, scharen sich um die Radioempfänger. Woher die Lähmung? Ist es die Ernennung selbst, die niemand ernsthaft erwartet hat? Oder ist es die Befürchtung der Kurzlebigkeit der Machtübernahme? Immerhin haben bis hin zur Vereidigung Hitlers um elf Uhr auch die höchsten Parteichargen Zweifel, ob Hindenburg, der 85-jährige Reichspräsident, wirklich Hitler zum Kanzler
    einer Rechtskoalition von NSDAP, DNVP (Deutschnationale) und parteilosen Konservativen bestellen werde. Bestes Beispiel ist Joseph Goebbels. In seinem Tagebuch spricht der spätere Propagandaminister von der „Nacht des großen Wunders“, von einem „Märchen“. Mit raffiniertem Kalkül fälscht er die zwielichtige Machtübertragung zu einem Epochenereignis
    um. Und er findet in den Radiostationen und bei ihren Journalisten genug willige Helfer, die Kunde vom „Sieg des Nationalsozialismus“ in alle Winkel des Landes zu tragen. Der Rundfunk überträgt live, bringt ausführliche Reportagen. Am Abend wird unter Goebbels Regie groß vom Fackelzug der 20000 SA-ler und Stahlhelmern berichtet, der sich vom
    Brandenburger Tor zur Wilhelmstraße bewegt. Der Fixpunkt des „Feuerbandes“: die Reichskanzlei mit dem im hellen Licht am Fenster stehenden Hitler.


    Kulmbacher Rechte fasst Tritt


    Dass der Instinktpolitiker Fritz Schuberth - seit 1932 Kreisleiter, Landtags- und Reichstagsabgeordneter in einer Person - die an den Lautsprechern erzeugte Stimmung nicht spontan für eine Offensive nutzt, wundert. Denn Trommeln ist aus Sicht der Kulmbacher Ortsgruppe (1933: 600 Mitglieder) dringend geboten. Erstmals hat die NSDAP bei der Reichstagswahl vom 6. November 1932, dem Reichstrend folgend, Stimmen eingebüßt.


    Aufmarsch vor dem Vereinshaus


    Erst zwei Tage nach der „Nationalen Erhebung“, am 1. Februar, weicht die Lähmung: Es sind die Kampfverbände der Partei, SS und SA, und der 1933 noch selbstständige Stahlhelm, der Bund der Frontsoldaten, die einen Versammlungs-Aufruf starten. Annonciert wird in beiden lokalen Zeitungen, dem Kulmbacher Tagblatt und der Bayerischen Rundschau. Auf die schaurige Wirkung eines Fackelzugs setzt auch die Kulmbacher Rechte. Doch daneben möchte man sich in die preußische Militärtradition stellen: mit dem „Großen Zapfenstreich“ vor dem Vereinshaus. Der Zug tritt um 20 Uhr beim Röhrenplatz zusammen und bewegt sich durch die Obere Stadt zum Marktplatz. Die Eingangsreden auf dem Markplatz werden in beiden Zeitungen ausführlich wiedergegeben - Zeitungen mit Rechtsdrall, die ehrfürchtig nachplappern. „Stahlhelmführer“ Karl Hofmann, ein ehemaliger Weltkriegshauptmann, beschwört die erfolgte große Einigung in der „Nationalen Front“. An religiösem Schwulst fehlt es nicht: „Mit den weihevolle Tönen verbindet sich ein Dankgebet zu Gott, der unserem Volke
    Männer als Führer geschenkt, die sich selbst überwanden, um der Volksgemeinschaft zu dienen.“ Er schließt: „Mit Hindenburg und der neuen Reichsregierung für ein neues besseres Deutschland, Frontheil!“ Fritz Schuberth spricht von einer Wende, die „dreizehnjährige marxistische Misswirtschaft“ habe ihr Ende erreicht. Doch man müsse weiterkämpfen, bis das ganze Volk gewonnen sei. Es folgen das Horst-Wessel-Lied und die Zeremonie des Großen Zapfenstreichs mit dem Kernstück: „Ich bete an die Macht der Liebe“.


    Die Mobilisierung


    In den fünf Wochen vor der von Hitler erzwungenen Reichstagswahl am 5. März ist Schluss mit „Liebe“. Die Nazis ziehen alle Register: „Werbemärsche“, Großkundgebungen,
    Tonfilmvorführungen von Hitler-Reden, massive Störungen von Veranstaltungen des politischen Gegners, speziell der SPD, SA-Patrouillen vor Wahllokalen. Am Wahlabend können sie triumphieren: Sie erhalten 52 Prozent der Stimmen – das beste Ergebnis, das eine Partei je erreicht hat. Berauscht vom Erfolg schreiben die Kulmbacher Nazis am 9. März Geschichte: mit dem ersten „Rathaussturm“ in Bayern. Der parteilose Bürgermeister Hans Hacker wird kalt gestellt, Fritz Schuberth zum Bürgermeister ernannt.

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