Der Samelstein - Vom traurigen Ende einer Provinzposse

  • Hallo zusammen,
    auch wenn mir der Ort hier nicht als der richtige erscheint, indem ich über ein Flurdenkmal berichten möchte, so wähle ich ihn doch und hoffe, dass noch ein Plätzchen für entsprechende Beiträge geschaffen werden wird. Ich möchte vom Samelstein berichten, einem wohl im 12. Jahrhundert entstandenen, einzigartigen Flurdenkmal.
    Es handelt sich dabei um eine Sandsteinplatte, die oben schräg abgebrochen ist, so daß sie heute 90 bis 115cm hoch, 65cm breit und 16cm stark ist. Auf der Wegseite ist erhaben auf der ganzen Platte die Figur eines gegürteten Mannes mit kurzem Rock und angewinkelten, erhobenen Armen dargestellt. Kopf und Hände fehlen, bzw. wurden abgeschlagen. Wahrscheinlich handelt es sich bei der Steinplatte um ein Grenzmal zwischen den bamberger Gerichten Weismain und Kronach sowie der Herrschaft Plassenberg. Hans Jakob, der sich in seinem 1979 im 59. Band des Archivs für Geschichte von Oberfranken veröffentlichten Beitrag "Der Schamelstein bei Kirchleus" (S. 15 - 25) ausführlich mit diesem Flurdenkmal beschäftigt hat, kommt gar zu dem Schluß, dass es sich dabei wohl um einen Gedenkstein für einen slavischen Edlen handelt, der vermutlich im 10.Jh. (!) auf der Altstraße am Kirchleuser Rain den Tod fand.
    An diesem wertvollen Steindenkmal waren 1990
    Spuren frischer Beschädigungen festgestellt worden. Auch bewies ein 1932 vom Heimatforscher Hans Edelmann aufgenommenes Foto von der Vorderseite des Steins, die starke Verwitterung des Samelsteins gerade in den letzten Jahrzehnten. Der damalige Kulturreferent der Stadt Kulmbach, Dr. Ruprecht Konrad, bemühte sich daraufhin um eine Sicherstellung dieses überregional bedeutsamen Denkmals und schlug vor, das Original in das Landschaftsmuseum Obermain zu verbringen und durch einen
    Abguss am bisherigen Standort zu ersetzen. Nachdem die Gemeinde Mainleus dieser Maßnahme durch Gemeinderatsbeschluß vom 15. Februar 1993 zugestimmt und am 10. Mai 1993 auch Dr. Schmidt, der damals zuständige Referent des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Außenstelle Bamberg-Seehof, sein Plazet dazu gegeben hatte, wurde der Stein durch
    die Firma des Restaurators Michael Walta in Bamberg abgebaut und in dessen Werkstatt gebracht. Dort wurde er unter Dokumentation des Vor-, Zwischen- und Endzustandes an den sandenden Stellen gefestigt und vorsichtig gereinigt. Dann wurde der Stein abgeformt und ein dem Original in Form, Farbe und Körnung entsprechender Abguss hergestellt. Die entstandenen Kosten in Höhe von 12.845,50 DM wurden in großzügiger Weise vom Verein Freunde der Plassenburg e.V. übernommen.

    Wäre dieser Abguss sang- und klanglos auf der Kirchleuser Platte aufgestellt worden, hätte wahrscheinlich niemand bemerkt, dass es sich nicht um das Original sondern um eine Replik des Samelsteins handelt. Da jedoch die örtliche Tageszeitung am 5. Oktober 1993 unter der Überschrift "Der Umzug eines Denkmals" berichtete, begann sich unmittelbar danach der Unmut der Einwohner von Schimmendorf zu regen. Es wurden Leserbriefe geschrieben und Beschwerden an alle möglichen Behörden gerichtet. Im Januar 1994 war der Abguss dann gestohlen worden. Einige Tage später fand er sich derselbe unbeschädigt in einem nahen Waldstück und wurde wieder auf der Kirchleuser Platte aufgestellt. Ihren Höhepunkt erreichte die Posse im Juli 1994, als der 8000,- DM teuere Abguss von Unbekannten zerschlagen wurde!

    Mit meist recht polemischen Schriften bemühte sich die "Interessengemeinschaft Samelstein" immer wieder - und vor allem Im Vorfeld von Kommunalwahlen - um die Rückführung des Samelsteins an seinen früheren Standort. Am 10. Januar 2001 wurde die Angelegenheit sogar bei "Jetzt red i" im Bayerischen Fernsehn auf das Tablett gebracht und der oberste bayerische Denkmalschützer, Herr Generalkonservator Prof. Dr. Greipl, leistete der Samelstein-IG sogar noch Schützenhilfe, indem er äußerte: "Der hohe Wert der "Samelsteine" ergibt sich dadurch, dass sie oft als einzige historische Zeugen bestimmte Aussagen für die Entstehung und Entwicklung einer Handelsstraße ermöglichen. Sie besitzen identitätstragende
    und -stiftende Funktionen. Die Verbringung des Samelsteins an seinen ursprünglichen Ort wäre der nahegelegenste Schritt. ... Der Stein soll da stehen, wo er herkommt und hingehört, das macht ja nichts. ... Ich kann mir vorstellen, dass der Stein wieder dahin kommt, wo er war, ... die Gemeinde Mainleus, die damals den Beschluss gefasst hat, und auch Eigentümerin ist, muss da mittun."
    Die originellen Skulpturen von Ferdinand Tiez aus dem Schloßgarten in Veitshöchheim oder die mittelalterlichen Figuren vom Fürstenportal und der Adamspforte des Bamberger Doms - nur um einige Beispiele zu nennen - sind heute in diversen Museen zu bewundern und vor Ort durch Kopien ersetzt. Was hat der Samelstein an sich, dass er es verdient, aus dem geschützten Raum eines Museums herausgenommen um wieder Wind und Wetter auf der Kirchleuser Platte ausgesetzt zu werden? Dieser Frage entledigte sich das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege kurzerhand, indem es den Samelstein am 15.12.2008 aus der Denkmalliste gestrichen hat! Nun heißt es: "...Mit dem Verlust des Denkmalstatus sind die Belange der Denkmalpflege nicht mehr betroffen, fachliche Aussagen unsererseits haben einen empfehlenden Charakter."

    Ende des letzten Jahres hat nun der Stiftungsrat des Landschaftsmuseums Obermain beschlossen, dass man der Rückführung des Samelsteins auf die Kirchleuser Plasse nicht im Wege stehen wolle. Simon Ries, der Sprecher des Kulmbacher Oberbürgermeisters Henry Schramm erklärte: "Im Landschaftsmuseum ist der Samelstein nur ein Exponat von vielen, draußen für die Bevölkerung ein Higlight". Und das Landesamt für Denkmalpflege stellte am 30. März diesen Jahres fest: "Der Zustand des Flurdenkmals ist durchaus so beschaffen, dass sein unbedingter Verbleib im Museum zwar sinnvoll, aber konservatorisch nicht geboten erscheint. Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege wird sich folglich einer Verbringung an den alten Standort nicht widersetzen."

    Am Ostersamstag soll der Samelstein nun sein sicheres Refugium im Landschaftsmuseum Obermain auf der Kulmbacher Plassenburg verlassen und wieder an seinem Original-Standort auf der Kirchleuser Platte aufgestellt werden. Vor den Unbilden der Witterung und den Luftschadstoffen unserer Zeit, vermag ihn dort niemand zu schützen, so dass es wohl nicht lange dauern wird, bis die Darstellung des gegürteten Grenzwächters bis zur Unkenntlichkeit abgewittert sein wird. Doch möge ihm das Los seines Abgusses erspart bleiben, von Vandalen zerschlagen zu werden!

    Dies wünscht sich

    Harald Stark

  • Hallo Harald,


    Vielen dank für diesen gelungenen Artikel! Ich denke, man kann den Samelstein als ein weiteres Beispiel für den heutigen Umgang mit einzigartigen Denkmälern bezeichnen, deren Erhalt mittlerweile nicht einmal mehr durch die zuständigen Behörden gesichert wird. Wirklich schade!


    Ein ebenso gearteter Fall findet sich in Münchberg: Seit einigen Jahren sind an der Friedhofskirche "Zur Himmelspforte" Grabplatten aus dem 17. Jahrhundert angebracht, die allmählich durch Regen und Schnee verwittern. Zwischenzeitlich kann man manche Inschriften nicht einmal mehr entziffern. Alle Anstrengungen der MünchBürger die Steine an der Innenseite der Kirche anzubringen und sie so vor den Umwelteinflüssen zu bewahren, wurden von amtlichen Stellen gestoppt. So werden wohl bald keine Spuren mehr daran zu entdecken sein, die sie als Denkmäler ausweisen.


    Liebe Grüße,


    Adrian

  • Lieber Harald,


    Mir bleibt bei einer solchen Nachricht nur, den Kopf zu schütteln und über die Unwissenheit der angeblichen "Experten" zu rätseln. Ich hoffe sehr, dass der Stein der Natur noch einige Jahrhunderte trotzen wird.


    Liebe Grüße,


    Adrian

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