Beiträge von Karsten Kühnel

    Hat der LNV und das Stadtarchiv einen Facebookauftritt? Das wäre wirklich interessant! Der ITS hat eine Präsenz bei Facebook (allerdings derzeit noch fremdmoderiert :-/) und einen Twitter-Account. Unsere Partner, die mehr mit Facebook arbeiten als wir, berichten, dass die Nutzer, die auf das eigene Internetangebot der Institutionen zugreifen, inzwischen überwiegend über das Facebook-Profil der Einrichtung kommen und gar nicht mehr direkt die eigene Onlinepräsenz ansteuern. Facebook und Konsorten entwickeln sich zu "Webs im Web". Der neue "Archvar" liegt mir noch nicht vor. Ich bin gespannt auf den Beitrag!


    Da fällt mir ein, die Stadt Hof hatte zumindest einmal einen Facebook-Auftritt. Das war im Winter vor zwei Jahren. Da konnte man posten, wo die Stadt mit der Schneeräumung nicht nachkommt und man inzwischen mit dem Auto steckenbleibt. Das habe ich damals auch genutzt. Nur nebenbei bemerkt ... ;-))

    Der Internationale Suchdienst / International Tracing Service (ITS) in Bad Arolsen dokumentiert die nationalsozialistische Verfolgung in Form von Zwangsarbeit, Inhaftierung, Ermordung sowie die Folgen für die Überlebenden. Inwiefern sich seine Arbeit in der Vergangenheit und noch heute auch auf die Stadt und den Landkreis Hof bezieht, war das Thema eines Vortrages von Karsten Kühnel, Abteilungsleiter im Internationalen Suchdienst. Die Veranstaltung wurde vom Nordoberfränkischen Verein organisiert.




    Kühnel zeigte, dass die zentrale Arbeit des ITS nach wie vor auf dem Sektor der humanitären Arbeit im Dienst der Opfer und ihrer Angehörigen erfolgt. Im Jahr 2010 kamen noch 81,5 % der Anfragen von diesem Personenkreis. Seitdem das über 20 Regalkilometer große Archiv des ITS seit 2007 auch für die Forschung geöffnet ist, nahm der Teil der wissenschaftlichen und publizistischen Anfragen rapide zu. Der Wandel des Charakters des ITS von einer rein humanitären Einrichtung zu einem gleichzeitigen Forschungsinstitut und öffentlichen Archiv trug zur Entscheidung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz in Genf bei, sich zum Ende des Jahres 2012 aus der Leitung des ITS-Managements zurückzuziehen. Stattdessen wird der ITS künftig in eine enge Beziehung zum Bundesarchiv treten.




    Auch die Geschehnisse in Hof und seiner Region, die in Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Verfolgung stehen, sind im Arolser Archiv gut dokumentiert. Bis vor kurzem unbekannt waren die Akten, die der ITS und die Zonensuchbüros seit 1946 bis in die 1950er Jahre im Zusammenhang mit der Ermittlung von Gräbern unbekannter Toter und im Zusammenhang mit der Untersuchung der so genannten Todesmärsche aus Konzentrationslagern zusammengestellt haben. Vor zwei Jahren wurden diese Akten erstmals im Internet zugänglich gemacht. Der Referent zeigte, dass darin Unterlagen aus und zu fast jeder Gemeinde des Landkreises existieren. Man könne in den Akten auch erkennen, ob ein Bürgermeister kooperativ war, oder ob man in seiner Verwaltung den Maßnahmen der Alliierten reserviert gegenüber stand. Die Erhebungen des ITS zielten immer darauf ab, auf diese Weise zur Identifikation und zum Auffinden von Opfern der Verfolgung zu gelangen. Die Fragebogen und statistischen Unterlagen überraschen durch ihre Direktheit mit erschütternden ebenso wie mit banalen Aussagen. Beispielsweise die Auskunft des Marxgrüner Bürgermeisters, dass vom Todesmarsch der 200 bis 300 KZ-Häftlinge von Blankenstein Richtung Höllental "die gesamte Bevölkerung von Marxgrün mitwissend" sei, oder die Meldung des Bürgermeisters von Gottsmannsgrün, dass am 13. April 1945 acht "KZ-ler" auf Grund der in der Dorfmitte eingetretenen "Todesursache Mord durch Erschießen" begraben worden seien.




    Kühnel gab einen Überblick über die ganze Bandbreite der umfangreichen Ermittlungen und Erfassungen auf, die seitens der UNRRA und der IRO (Internationale Flüchtlings-Organisation) im Hofer Raum durchgeführt wurden, und die Akten, die im Rahmen der IRO-Fürsorge für überlebende Opfer angelegt wurden: Registrierungen aller in Hof befindlichen Ausländer seit 1933, aller Zwangsarbeiter, aller Waisenkinder, aller Displaced Persons, die nach dem Krieg vor allem im Lager Moschendorf lebten, und ihrer Kinder, Unterstützungen Zwangsdeportierter und Vertriebener bis zur Emigration. Der Kindersuchdienst des ITS besitzt Unterlagen zu allen Kinderheimen, die in Hof und im Landkreis damals existierten. Kühnel hat in seinem Vortrag eines dieser Kinderschicksale genauer untersucht und machte deutlich, welchen Horror diese Kinder durchlebt hatten, bevor sie in Hof in die Betreuung des Kindersuchdienstes gelangten: Ghetto Rowno, Zwangsarbeitslager Riga, KZ Dachau, nach dem Krieg alleine aufgefunden in einem Kinderheim in Hof - das Schicksal eines jüdischen Kindes aus Litauen.




    Den Zuhörern wurde bewusst, dass Verstrickung in Verfolgung und Holocaust weit über den unmittelbaren Bezug zu Konzentrations- und Vernichtungslagern hinausreicht und dass auch Hof davon betroffen ist. Die Hofer Stadtverwaltung hatte den erfolgreichen Abschluss der "Entjudung" Hofs am 6. November 1942 an den Regierungspräsidenten in Ansbach mitgeteilt. Zum Schluss seines Vortrags veranschaulichte Kühnel noch einmal, dass auch das umfangreiche Archiv des ITS nur ein Fragment in der Gesamtüberlieferung des Holocaust ist. Um Forschungen auf diesem Gebiet zu erleichtern und in weiten Teilen überhaupt erst zu ermöglichen, sei es nötig, die über ganz Europa verstreuten Fragmente zusammenzuführen. Dazu sei derzeit ein europäisches Archivportal namens EHRI (European Holocaust Research Infrastructure) im Aufbau (Projektfilm: http://www.ehri-project.eu/Film). Unter der Adresse www.ehri-project.eu solle ein virtuelles Holocaustarchiv sichtbar gemacht werden, das eine archivübergreifende Recherche über alle bekannten Sammlungen zu diesem Thema möglich machen werde. Der ITS ist daran beteiligt, die Standards und Richtlinien für dieses Portal und die Strukturen seiner Inhalte zu erarbeiten.

    „Berichte und Meldungen über den
    Durchzug von Todesmärschen und die Grablegungen der Todesopfer“
    lautet der Titel einer Akte, die alphabetisch nach Orten gegliedert
    ist: Helmbrechts, Marlesreuth, Marxgrün, Meierhof usw. „Meldekarten
    der Stadt Naila“ finden sich bei Unterlagen, die vor allem Angaben
    zu ehemaligen Zwangsarbeitern enthalten.


    Solches und vieles mehr
    birgt das Archiv einer Einrichtung mit humanitärem Mandat, die seit
    1943 nach Vermissten sucht und die Leidenswege von Verfolgten des
    nationalsozialistischen Regimes dokumentiert: das Archiv des
    Internationalen Suchdienstes in Bad Arolsen. Seit 2007 ist die dort
    aufbewahrte kilometerlange Dokumentensammlung zu den Bereichen
    Holocaust, Zwangsarbeit und Displaced Persons für die Forschung
    zugänglich. Das Archiv ist auch für regionalgeschichtliche Untersuchungen eine reiche Fundstätte.


    In diesem Vortrag sollen
    Archivalien und Archivbestände vorgestellt werden, die sich auf die
    nationalsozialistische Epoche und die unmittelbare Nachkriegszeit der
    Hofer Region beziehen. Natürlich werden die Zuhörer darüber hinaus
    auch einiges über den Internationalen Suchdienst bzw. den
    „International Tracing Service (ITS)“ als Institution, deren
    Management unter der Leitung des Internationalen Komitees vom Roten
    Kreuz (IKRK, Genf) steht, und über die Nutzungsbedingungen seiner
    Bestände erfahren.

    Ich lade Sie herzlich zum Besuch meines Vortrags am 24. Mai in der Konventstube (Unteres Tor 7) um 19.30 Uhr ein.