Tagung „Grenzen, ihre
Auswirkungen und ihre Überwindung“
Im Jahr 2016 wird der Nordoberfränkische Verein für Natur-,
Geschichts- und Landeskunde e. V. in Hof 125 Jahre alt. Aus diesem Anlass fand
am 8. Oktober 2016 eine wissenschaftliche Tagung statt, die sich dem Thema
„Grenzen, ihre Auswirkungen und ihre Überwindung“ widmete. Referenten aus
Oberfranken, Sachsen und Tschechien behandelten in ihren Beiträgen verschiedene
Aspekte des Themas. Wolfgang Pätz aus Weischlitz im ehemaligen DDR-Sperrgebiet
erzählte, wie die deutsch-deutsche Grenze aus der Sicht der Menschen in Plauen
und Umgebung wahrgenommen wurde. Wie gravierend die Auswirkungen der Grenze auf
die familiären Verbindungen nach Oberfranken waren, wurde durch seine bewegende
Schilderung des Wiedersehens mit seiner Tante, die in Oberfranken lebte, nach
jahrzehntelanger Trennung deutlich.
Anschließend referierte Dr. Arnd Kluge aus Hof über die
deutsch-deutsche Grenze aus Sicht der Hofer Region. Er ging auf die wirtschaftliche
Entwicklung des Hofer Landes seit 1945 ein, auf politische Bemühungen zur
Durchlöcherung der Grenze und auf die Mentalität im oberfränkischen Grenzraum.
Ein Fazit seiner Ausführungen lautete, dass die negative Wahrnehmung der
DDR-Grenze aus oberfränkischer Sicht, welche die Grenzregion zu etwas gefühlt
Benachteiligtem und Abgelegenem machte, in letzter Konsequenz nur eine
Fortführung eines Gefühls war, das bereits vor 1945 bestanden hatte.
Edith Kalbskopf aus Marktredwitz, die sich in ihrem Beitrag
mit der deutsch-tschechischen Grenze aus oberfränkischer Sicht befasste,
pflichtete ihrem Vorredner bei, dass bereits vor 1945 von Ostoberfranken als
„Grenzland“ gesprochen wurde. Damals natürlich in Hinblick auf die Grenze zur
Tschechoslowakei. Während bis 1939 (vor dem Anschluss des Sudetenlandes) die
Grenzübertritte noch ohne größere Probleme möglich waren, änderte sich dies
nach 1945. Kalbskopf schilderte die Grenzanlagen an der deutsch-tschechischen
Grenze und verwies darauf, dass auch hier Menschen zu Tode kamen – fatalerweise
machten Angehörige der tschechoslowakischen Grenztruppen den größten Anteil
daran aus. Sie beendete den ersten Themenblock zur Wahrnehmung der Grenze mit
Ausführungen zur Aufnahme und Integration von Heimatvertriebenen, vor allem von
solchen aus dem Sudeten- und den Egerland. Damit leitete sie zum nächsten
Beitragsblock über, welcher der Flucht und Vertreibung der Deutschen gewidmet
war.
PhDr. Karel ?eha?ek aus Pilsen präsentierte seine
Forschungsergebnisse zum Schicksal des beweglichen und unbeweglichen Vermögens
der deutschen Bevölkerung im Karlsbader Bezirk nach 1945. Seine Studie
behandelte die Problematik der Konfiskation des sogenannten „feindlichen
Vermögens“ in den westlichen Grenzgebieten der Tschechoslowakei. Er beschrieb
Zuteilungs-, Eingliederungs- und Liquidationsprozesse und stellte die
Hauptinstitutionen dieser Vorgänge vor.
Daran schloss Jan Edl aus Tachau an. In seinem Beitrag „Deutsche
im Tachauer Bezirk in den Jahren 1945-1946. Von der Konfiskation bis zur
Vertreibung“ schilderte er das amtliche Vorgehen im Umgang mit der deutschen
Bevölkerung. Zunächst wurde bereits 1945 das gesamte Eigentum der Deutschen,
das als „feindliches Vermögen“ deklariert wurde, vom tschechoslowakischen Staat
beschlagnahmt. Anschließend wurden Vorbereitungen für die Vertreibung der
Sudetendeutschen getroffen, die ab dem Jahr 1946 realisiert wurde. Edl ging
auch auf Ablauf und Durchführung der Vertreibungen und Vertriebenentransporte
ein.
Am Ende dieses Vortragsblocks sprach Sandra Kastner aus Hof über
„(Un)Freiwillige Grenzgänger. Flüchtlinge und Vertriebene“. Die Hofer Region
als „Durchgangsregion“ für verschiedene Gruppen von Menschen stand hierbei im
Mittelpunkt der Ausführungen. Unter anderem kamen neben den deutschen Heimatvertriebenen
Evakuierte, Kriegsheimkehrer, ausländische Flüchtlinge und jüdische Displaced
Persons zur Sprache.
Prof. em. Dr. Jörg Maier aus Bayreuth beschäftigte sich mit der
wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung Oberfrankens seit der Grenzöffnung 1989/90.
Nach einem kurzen Aufschwung direkt nach der Grenzöffnung kämpfte die
oberfränkische Wirtschaft dann mit veränderten politischen Rahmenbedingungen.
Aus der Grenzlage war eine zentrale Lage mit offenen Grenzen geworden. Ein
Abbau an Unternehmen und ein Rückgang der Bevölkerung in Ostoberfranken sind
seitdem festzustellen. Dennoch stimmte Maier nicht in den weitverbreiteten
Abgesang auf die Region ein. Trotz aller vorhandenen Schwierigkeiten und
Herausforderungen verwies er auf Möglichkeiten zum langfristigen
wirtschaftlichen wie sozialen Umschwung. Eine Chance könnte in der
grenzüberschreitenden Bewältigung der Probleme liegen, wie er anhand des
Zentrale-Orte-Systems der Bayerischen Staatsregierung verdeutlichte.
Im letzten Beitragsblock zu grenzüberschreitenden Projekten als
Initiativen, um Nordoberfranken, Sachsen und Tschechien wieder näher
zusammenzuführen, referierte Tereza Vávrová aus Prag über Erinnerungsorte und
die grenzüberschreitende Erinnerungskultur. Vávrová ist Direktorin der
Initiative „Antikomplex“, welche sich in Tschechien dafür engagiert, ein
Umdenken in der tschechischen Gesellschaft hinsichtlich des Umgangs mit der
deutschen Geschichte in den Grenzgebieten zu bewirken. Sie stellte Projekte von
Antikomplex vor und zeigte verschiedene Herangehensweisen auf. Sie
verdeutlichte, dass im ehemaligen Sudetenland viele Erinnerungsorte zu finden seien.
Dort versteckten sich viele Geschichten, die sich in die Landschaft
eingeschrieben hätten. Bei Exkursionen würden solche Geschichten entdeckt, die
grenzüberschreitende Bedeutung hätten, weil ihre Geschichte nicht nur
Tschechen, sondern auch Deutsche beträfe. Dadurch entstünden neue
grenzüberschreitende Erinnerungskulturen, deren Charakter die Mitstreiter von
Antikomplex sowie die Teilnehmer der Projekte verstehen und für den
deutsch-tschechischen Dialog nutzen möchten.
Milan Zukal aus Karlsbad stellte im Themenfeld „Die Grenze als
Tourismusprojekt“ grenzüberschreitende Radfahrwegeprojekte vor. Schon seit mehr
als 25 Jahren entwickelt der Bezirk Karlsbad, aber auch die einzelnen Städte,
Gemeinden, Kleinregionen und Verbände im Karlsbader Bezirk, eine erfolgreiche
Zusammenarbeit mit den deutschen Partnern. Beispiele dafür sind eine ganze
Reihe von abgeschlossenen Radwegeprojekten, wie die Internationale Route
Euregio Egrensis, die Wallenstein-Brücken, der Karls-Radweg, der Radweg entlang
Halstrov sowie die markierten internationalen Radtouren EURO VELO 13 und der
EURO VELO 4. Ein weiterer grenzüberschreitender Radweg ist entlang des Flusses
Eger unter der Bezeichnung „Erlebnis in der Natur – Radweg Eger“ geplant.
Michal Pospíšil aus Eger behandelte in seinem Beitrag zur Grenze
als Tourismusprojekt die „Grenzenlosen Gartenschauen“, die Eger seit 2006 geplant
und durchgeführt hat. Beginnend im Jahr 2006, als in Zusammenarbeit mit
Marktredwitz die erste „Grenzenlose Gartenschau“ in beiden Städten erfolgreich
umgesetzt wurde, war im Jahr 2013 das nahe liegenden Tirschenreuth in der
Oberpfalz Partner bei der zweiten „Grenzenlosen Gartenschau“. Anhand mehrerer
Vorher-Nachher-Bilder veranschaulichte Pospíšil die positiven Auswirkungen,
welche die Projekte auf das Stadtbild von Eger, insbesondere den Bereich am
gleichnamigen Fluss, hatte. An sich war bereits für 2016 die nächste
„Grenzenlose Gartenschau“ in Kooperation mit Bayreuth geplant; leider kam diese
aufgrund fehlender Finanzierung in Eger nicht zustande.
Etwa 70 Teilnehmer und interessierte Zuhörer fanden den Weg
in die Sparkasse Hochfranken am Sonnenplatz in Hof und folgten den Beiträgen,
die simultan übersetzt wurden. Eine Publikation der Tagungsbeiträge ist geplant.