Interessant und wenig bekannt ist, dass sich beim Freikorps Lützow anscheinend sich eine junge Frau aus Hof befunden hat, die als freiwillige Jäger in Männerkleidung an den Kriegszügen teilnahm.
Die Nationalliste der 3. Kompanie des I. Bataillons des Lützowschen Korps nennt unter der Nr. 144
„Unger, August. 18 Jahre, aus Hoff, Provinz Bayreuth. Vater: Weber.
Eingetreten in die Kompanie am 18.4.1813.“
Bei dem aus „Hoff“ stammenden August Unger dürfte es sich um die am 9.5.1793 in der Hofer Altenstadt 550 geborene Anna Sophie Unger handeln, auch wenn sich die Tochter des Webermeisters Johann Heinrich Unger hier um fast zwei Jahre jünger gemacht hat. Diese Annahme gründet sich auf weitere preußische Quellen, die Anna bzw. August oder Auguste
Unger erwähnen:
In einer Kabinettsordre des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. vom 11.6.1815, welche sich mit der Ausbildung von Frauen als Krankenpflegerinnen an der Berliner Charité beschäftigt, wird eine Anna Unger als „ehemaliger freiwilliger Jäger“ bezeichnet. Nach Eintrag im Invaliden-Register des preußischen Kriegsministeriums erhielt im September 1816 der „Jäger Unger Auguste vom Lützowsch. Freikorps“ Versorgungsleistungen. Grund dafür dürfte eine im Herbst 1813 bei einem Gefecht in der Nähe von Boizenburg an der Elbe erlittene Verwundung gewesen sein.
Was Anna Unger zum Eintritt in das Freikorps Lützow veranlaßte und wie sie die Mitte April 1813 im Raum Leipzig liegende Truppe erreichte, ist nicht überliefert. Spekulationen, wonach sie als „ortskundige Führerin“ beim Überfall der Lützower auf Hof gedient haben soll, müssen kritisch hinterfragt werden.
Tatsächlich bis an die Mauern der Stadt sind nur berittene Teile des Freikorps vorgedrungen, während die Infanterie jenseits der Saale verblieb. Trotz aller frühemanzipatorischen Energie von Anna Unger scheint es unwahrscheinlich, daß eine Hofer Kleinbürgerstochter des beginnenden 19. Jahrhunderts in der Lage gewesen sein soll, eine Kavallerieattacke mitzureiten. Die wenigen Wochen, die zwischen dem Eintritt Anna Ungers in das Freikorps (18.4.1813) und dem Überfall auf Hof (8.6.1813) liegen, dürften nicht ausgereicht haben, um diese Reitfertigkeiten zu erwerben – vor allem, da man innerhalb des Freikorps sicher andere Sorgen hatte, als jungen Damen beizubringen, wie man sich auf einem Pferd hält. Wie
die anderen Frauen in diesem Freiwilligenverband wird Anna Unger daher den Feldzug 1813/1814 bei den Fußtruppen des Lützowschen Korps mitgemacht haben.
Die gegen Hof eingesetzte Infanterie war jedoch erst während des Marsches der Lützower von Stendal nach Süden am 3. Juni 1813 bei Stadtroda in Thüringen aus übergelaufenen Truppen der weimarischen Landmiliz gebildet worden. Aus diesen Gründen ist es wenig wahrscheinlich, daß Anna Unger beim Zug der Lützower nach Hof dabeigewesen ist. Über ihren weiteren Lebensweg nach 1816 ist nichts bekannt.
Literatur / Quellen:
Reichold, Andreas: Eine Hoferin - Lützower Jäger. In: Frankenwald 1975, S. 109/110
Wiechmann, Gerhard: Das Lützow’sche Freikorps 1813/14. In: Militärgeschichte 1/2002, S. 4 - 12.
Kirchenbuch der Evang. Luth. Kirchengemeinde Hof, 1793, Nr. 109. Taufeintrag vom 10.5.1793.
Schwenk, Rudolf: Die Lützower vor Hof. Hof 1897
v. Jagwitz: Geschichte des Lützowschen Freikorps, Berlin 1892, S. 70, 103
Wurdack, Jörg: Militärgeschichte der Stadt Hof (= Chronik der Stadt Hof, Bd. X), Hof 2005, S. 134 - 136)