Jörg Wicke
Burg und Schloss der Vögte zu Plauen
Burg und Schloss der Vögte zu Plauen
Das Schloss der Vögte in Plauen
(Vogtlandkreis, Sachsen) lag lange
Zeit vor der Öffentlichkeit und der
Forschung verborgen hinter dem
Stacheldraht einer Justizvollzugsanstalt. Die Zellentrakte des 19. Jahrhunderts wurden in den Jahren 2013
und 2014 abgerissen. Auf dem Gelände soll zukünftig die Staatliche
Studienakademie Plauen untergebracht werden. Noch vor der baulichen Detailplanung, aber schon im
Hinblick auf die großlächige Umgestaltung des Geländes, führte das
Landesamt für Archäologie Sachsen
ab März 2014 eine zwölfmonatige
Ausgrabung durch, deren Ergebnisse
eine Lücke in der mitteldeutschen
Burgenforschung schließen1. Bis auf
eine kleinere Nachuntersuchung im
Frühjahr 2016 laufen seitdem die
Auswertungsarbeiten2.
Geschichtlicher Hintergrund
Plauen liegt zentral in der historischen
Region Vogtland, die sich heute über
das Grenzgebiet zwischen Böhmen,
Oberfranken, Thüringen und zum
größten Teil Sachsen erstreckt. Durch
moderate Relieierung und niedrigere
Höhenlagen bieten die Landschaften
hier günstigere Siedlungs- und Wegemöglichkeiten als das sich im Osten anschließende Erzgebirge. Große
Bedeutung für die regionale Erschließung und Entwicklung trugen zwei
Flüsse. Die Weiße Elster verbindet
Böhmen mit Mitteldeutschland, insbesondere mit Leipzig und Halle.
Das Einzugsgebiet ihres Oberlaufes
bildet den topograischen Kern des
Vogtlandes, und nicht weit von ihrem
Ufer reihen sich die drei maßgeblichen Herrschaftsmittelpunkte Weida,
Gera und Plauen. Entlang der Saale
Abb. 1. Vogtland um 1650. Etwa in der Mitte des historischen Vogtlands liegt
Plauen. Das Gebiet gehört heute größtenteils zu Sachsen, der Westen zu Thüringen, der Südwesten zu Oberfranken, der Süden zu Tschechien. Genordete
Karte, der Abstand Plauen – Oelsnitz beträgt 10 km (Ausschnitt aus: Justus
Danckerts, „Marchionatus Misniae [...]“ kolorierter Kupferstich, Arnstadt, um
1650 (SLUB Dresden, Kartensammlung, Signatur: KS A13557).
Burgen und Schlösser 4/2016
verlief seit dem Frühmittelalter die
thüringisch-fränkische Grenze, ihr
Tal bildet zugleich den geograischen
Korridor zwischen Oberfranken und
Mitteldeutschland.
Viele Ortsnamen, aber nur wenige archäologische Nachweise zeugen von
einem slawisch geprägten Beginn der
Besiedlung im Mittelalter3. Die Gegend um Plauen wird 1122 urkundlich
als territoriale Einheit umrissen und
als Dobnagau bezeichnet. Belegt ist
eine Kirche im Hauptort, dem vicus
Plawe. Auf dem als Dobenau bekannten Felsen etwas außerhalb der Altstadt Plauens wird aufgrund weniger
baulicher Relikte der befestigte Mittelpunkt des Dobnaugaues vermutet4.
Ab dem 12. Jahrhundert förderten verschiedene Vasallen den Landesausbau
durch überwiegend aus Franken stammende Siedler. Die Familie von Weida
nahm dabei eine hervorragende Stellung ein. Zunächst auf die nordwestliche Grenze des nachmaligen Vogtlandes beschränkt, dehnte sie ihren Einluss bis nach Oberfranken und in das
Egerland aus. Mitglieder der Familie
Weida übernahmen Vasallen anderer
Fürsten in ihre eigene Ministerialität
und verstanden es, ihre Position im
13. Jahrhundert weiter auszubauen.
Ab 1209 führten sie den Titel advocatus, d. h. Vogt, der namengebend
für ihr Herrschaftsgebiet werden sollte. Die ausschließliche Nutzung des
Vornamens Heinrich für alle männlichen Nachkommen – selbst unter
Brüdern – wurde beibehalten5. Vor
1224 gelangte Plauen als Lehen an die
Weidaer Vögte, und 1244 erscheint in
den Quellen einer der Heinrichinger
erstmals ausdrücklich als Vogt von
Plauen6. Er erweiterte das Stadtgebiet
auf fast die doppelte Größe7. Folgt
man den Nennungen in den Urkunden, wurden dabei die ursprünglichen Lokatoren Plauens verdrängt:
das Geschlecht der Eversteiner, mit
Stammsitz bei Holzminden (Niedersachsen), auf die möglicherweise die
Reste einer Stadtburg, das heutige
Malzhaus an der südwestlichen Ecke
des Mauerrings, zurückgehen (Abb.
4, Nr. 4). Ob und wie lange die Stadtburg der nunmehrigen civitas vom
Vogt genutzt wurde, ist unbekannt;
lange vermutet und nun durch ar205
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Abb. 2. Burgen im sächsischen Vogtland (unvollständige Kartierung) mit
aktuellen Gemarkungsgrenzen und angedeutetem Relief. Der die Karte NordSüd-querende Geländeeinschnitt entspricht dem Tal der Weißen Elster.
Die Gemarkung Plauen ist hervorgehoben (Punktdaten nach Billig/Buchner
1979 [wie Anm. 10] und Ortsakten des Landesamtes für Archäologie
Sachsen, Ge-ländemodell nach Daten von Jarvis et al. 2008, Hole- illed
seamless SRTM data V4, International Centre for Tropical Agriculture
(http://srtm.csi.cgiar.org).
Gemarkungsgrenzen:
Staatsbetrieb
Geobasisinformation und Vermessung Sachsen).
chäologische Funde untermauert, ist
es jedoch wahrscheinlich, dass sich
Heinrich I., Vogt von Plauen, in topograischer Opposition zu dieser Anlage auf einem alles überblickenden
Sporn, eine neue Burg, das „Schloss
der Vögte“, errichtete (Abb. 4, Nr.
1). Neben der verteidigungstechnisch
günstigen Geländesituation spielte bei der Platzwahl wahrscheinlich
auch der wichtige Elsterübergang in
Form einer 1244 erstmals erwähnten
Steinbrücke zu Füßen des Schlossberges eine Rolle. Wichtig erscheinen in
der Urkunde von 1244 ebenfalls die
seit Beginn des 13. Jahrhunderts engen Beziehungen zwischen den Vögten und dem Deutschen Orden, dem
nun größere Teile des Stadtgebietes
gestiftet wurden. Der Orden legte neben der ihm spätestens 1224 überlassenen Johanniskirche eine Komturei
an (Abb. 4, Nr. 3)8.
Bis Mitte des 13. Jahrhunderts agierten die Vertreter der gesamten Vogtsfamilie nach außen hin einheitlich und
erweiterten ihre terra advocatorum
zu maximaler Ausdehnung. Im 14.
Abb. 2a. Ersterwähnungen von
insgesamt
85
Burgen im sächsischen Vogtland.
Die Häuigkeit
ist jeweils für ein
Vierteljahrhundert angegeben.
(Angaben aus:
Billig/Buchner,
Verzeichnis
[wie Anm. 10]).
206
Jahrhundert jedoch wendete sich das
Blatt, als die benachbarten Markgrafen von Meißen und das böhmische
Herrscherhaus expansive Tendenzen
entwickelten. Die Vogtlinien richteten
sich in z. T. gegeneinander zielenden
Bündnissen mit den beiden Nachbarn
ein; das Haus Plauen begab sich 1327
unter böhmische Lehnsherrschaft.
Schließlich kam es zum Vogtländischen Krieg 1354 bis 1357, in dem der
böhmische Kaiser Karl IV. (* 1316,
† 1378) und der Wettiner Friedrich
der Strenge (* 1332, † 1381) gegen
die Vögte vorgingen und viele ihrer
Burgen vernichteten. Inwieweit auch
Plauen davon betroffen war, ist bisher
nicht bekannt. Im Januar 1430 verwüstete ein hussitisches Heer dann
noch einmal das Vogtland, mitsamt
Stadt und Burg Plauen. Der Vogtstitel scheint um 1370 erledigt gewesen
zu sein; König Sigismund (* 1368,
† 1437, ab 1433 Kaiser) verlieh jedoch dem Plauener Heinrich X. die
Burggrafschaft Meißen für dessen
Verdienste gegen die Hussiten. Meißen war Hauptsitz der mittlerweile zu
Kurfürsten aufgestiegenen Wettiner,
die dem Plauener lediglich den Titel
der Burggrafschaft überließen und
alle übrigen damit verbundenen Privilegien für sich beanspruchten9. Ab der
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts
wuchs der Einluss der Wettiner über
die Herrschaft Plauen, die das Schloss
als Amts- und Gerichtssitz nutzten.
1548 ielen große der Teile Plauens
einem Brand zum Opfer, und noch 80
Jahre später wurde das Schloss von
Wilhelm Dilich (* 1571, † 1650) als
Ruine abgebildet.
Nach Einteilung der wettinischen Sekundogeniturfürstentümer iel Plauen
mit dem größten Teil des Vogtlandes
an die Sachsen-Zeitzer Linie (1656
bis 1718), die in den 1670er-Jahren
das Schloss kurzzeitig als Nebensitz
wiederbelebte. Danach wurden die
Gebäude vollends zu Arbeits-, Wohnund Wirtschaftszwecken eines Amtes
umgestaltet und ab 1852 Gefängnisgebäude im nordöstlichen Hinterland
des Schlosses errichtet.
Burgen im Vogtland
Die regelmäßige Aufteilung befestigter Anlagen auf die heute bestehenden Gemarkungen des Sächsischen Vogtlandes10 legt eine große
Kontinuität der Gemarkungsgrenzen
seit ihrer Absteckung nahe. Obwohl
Burgen und Schlösser 4/2016
Burg und Schloss der Vögte zu Plauen
Abb. 4. Plauen um 1732 mit Höhenlinien und Kennzeichnung wichtiger historischer Anlagen (Kartengrundlage
von Oberlandfeldmesser Christoph Moritz Dietz [* um
1700, † nach 1779], kolorierte Federzeichnung 1732; georeferenziert, Hauptstaatsarchiv Dresden, 12884, Schr 011,
Abb. 3. Dobenau in Plauen. Farbkodiertes Geländemodell, F 008, Nr 018).
die höchsten Punkte liegen bei 384 m über NHN (rot), die
niedrigsten bei 356 m (blau). Höhenlinien im Abstand 1 Schloss der Vögte,
von 0,5 m. Deutlich setzt sich der zweite Halsgraben ab. 2 Elsterbrücke (Steinbau, 1244 ersterwähnt),
Weniger klar, weil verschüttet, ist der erste Halsgraben 3 Johanniskirche (1122 geweiht), östlich davon Komturei
etwa 15 m nordöstlich davon zu erkennen. Bis auf Reste des Deutschen Ordens, dem die Kirche vor 1224 übereignet
der Kernburg-Ringmauer sind keine Bauten obertägig er- wird,
halten. Die Terrassenbildung an den Flanken des Sporns 4 Stadtburg (1224 erwähnt),
stammt aus jüngerer Zeit (Rechnerisch entwaldetes Gelän- 5 Rathaus,
demodell mittels Structure from Motion nach Daten einer 6 Dominikanerkloster (zweite Hälfte 13. Jahrhundert).
Foto-Drohnenbeliegung, Februar 2016).
die Geländemorphologie in nahezu
jeder Gemarkung die Platzwahl für
mindestens eine Burg oberhalb der
Talauen zuließe, beinden sich rund 60
% der Anlagen in den Niederungen.
Diese wiederum bestehen fast ausschließlich aus kleinen Turmhügeln,
sehr selten mit Nachweis von Steinbauten. Höhenburgen, bevorzugt auf
Spornen, verteilen sich locker über die
Region und bestehen meist aus mehreren Steingebäuden. Allein die Verteilung der Höhenburgen gegenüber den
dichter gelegenen Niederungs- und
Wasserburgen legt eine hierarchische
Einteilung der Herrensitze nahe. Dazu
kommt die oft repräsentativere Wirkung der höher gelegenen, meist größeren Anlagen gegenüber den Turmburgen in Tälern. Sicher ließen sich
noch weitere Kriterien, wie etwa die
umschlossene Fläche, für eine weitere
Abstufung inden, doch sollen hier die
genannten Kriterien vorerst genügen.
Für kaum eine der Anlagen ist ein
Gründungsdatum bekannt. Urkundliche Ersterwähnungen sind nur bedingt verlässlich, jedoch wird immerhin knapp die Hälfte der bisher
aufgenommenen Anlagen bis 1300 in
Burgen und Schlösser 4/2016
den Überlieferungen genannt – mit
Schwerpunkt im letzten Viertel des
13. Jahrhunderts. Das entspricht einem Zeitraum, in dem die Vögte kaum
vom Kaiser/König kontrolliert und
weitgehend frei agieren konnten11.
Auch die offensichtliche Hierarchie
der Anlagen mag man aus der Kenntnis zeitgenössischer Urkunden heraus
deuten. Im Groben spiegelt sie das
Verhältnis der reichsunmittelbaren
Vögte in großen Höhenburgen wie
Plauen einerseits und ihren kleinsten
Ministerialen in im Tal gelegenen
Turmburgen andererseits wieder12.
Weitere Höhenburgen lassen sich auf
Gründungen Dritter vor der Übernahme durch die Vögte von Weida zurückführen (z. B. Elsterberg, 1225 von
den Lobdeburgern errichtet)13.
Das Schloss der Vögte in Plauen – Anfänge bis um 1430
Der dreieckige Grundriss des Mauerberings wurde bereits in der Anfangsphase geprägt. Heute fällt dem
Besucher als erstes der die Südspitze
des Dreieckes markierende, repräsentative vierzehneckige Rote Turm mit
Blick Richtung Stadt und Elsterbrücke auf – nicht zu verwechseln mit
dem Dansker des Konventsgebäudes,
der in der Überlieferung ebenfalls als
Roter Turm bezeichnet wird. An der
Nordspitze des Schlossgeländes steht
ein unscheinbarer quadratischer Turm,
und die östliche Spitze beherrschte
der bis Mitte des 17. Jahrhunderts in
Quellen nachgewiesene Weiße Turm.
Keiner der drei Türme stammt aus
der Frühzeit der Anlage; doch beindet
sich nicht weit von der wahrscheinlich im 15. Jahrhundert errichteten
landseitigen Außenmauer zwischen
Weißem und Nordturm ein verfüllter
Graben, der zu den stratigraisch ältesten Befunden zählt. Nach der jüngsten
Dokumentation von 2016 schnitt dieser Graben den gesamten Sporn von
der dahinter liegenden Hochläche ab.
Mit weniger als 3 m Breite und etwa
2 m Tiefe wirkt die Abgrenzung unterdimensioniert. Wahrscheinlich war
dieser Graben nur ein Annäherungshindernis unter vielen zur Landseite
hin und lag dabei der Kernburg am
nächsten. Dem Graben folgte burgseitig eine begleitende, in Lehm gesetzte Mauer; anschließend wurde
207
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Abb. 5. Plauen, Ansicht des Schlosses der Vögte von Süden. Bis auf den Roten
Turm, links vom Tor, trägt kein Gebäude ein Dach. Rechts steht der Weiße Turm.
Zu Füßen beider Türme liegen Bastionen. Links vom Roten Turm ragen die
Zwerchgiebel des Westlügels in den Himmel (Ausschnitt aus: Wilhelm Dilich,
Urbium et Oppidorum et Arcium aliquot Septemviratus Saxononici et Misniae
typi ac descriptionum isagoges, 1626-1629, Bl. XCI. Faksimile-Lithograie von
Ehregott Zschille 1889, SLUB, KS B2890).
ihr vermutlich ehemals in den Hang
auslaufendes Westende durch einen
massiven Steinbau ersetzt (Abb. 7,
„Festes Haus 1“)14. Entlang der westlichen Hangkante wurden Teilgrundrisse von fünf Kellerräumen freigelegt,
die sich zu zwei Gebäuden rekonstru-
ieren lassen. Ein sechster Kellerraum
lag abseits davon (vgl. Abb. 7, „Keller 1“ usw.). Der annähernd parallele
Verlauf aller Grundrisse inklusive des
Grabens deuten eine planvolle Geländeeinteilung an, zumindest lässt sich
– außer an der Hangkante – kein von
Abb. 6. Plauen, Übersicht über das gesamte Schlossareal von Nordosten.
Links der Rote Turm (1425d), davor das Untere Tor. Im Vordergrund links die
provisorisch stabilisierte Hangstützmauer, identisch mit der ehemaligen Zwingermauer; der Zwinger ist teilweise ausgebaggert. Vorne rechts mutmaßlicher
Standort des Weißen Turms, hinten rechts der Nordturm. Im Mittelfeld die Ruine
des Querhauses (16./17. Jahrhundert). Ganz hinten die Dächer der Altstadt mit
dem Turm des neuen Rathauses (1916 fertiggestellt) (LfA Sachsen, Juni 2016).
208
vorgegebenen Strukturen auferlegter
Zwang erkennen. An der westlichen
Außenmaußer entstand ein weiteres
massives Gebäude („Festes Haus 2“),
das sich nicht an dem Schema der
übrigen Gebäude ausrichtet und bisher nur durch die Bauabfolge grob
in das 14./15. Jahrhundert datierbar
ist. Nördlich von Keller 6 wurde ein
sehr wahrscheinlich mittelalterlicher
Brunnen freigelegt, der über 21 m tief
bis in das Grundwasser der Flussaue
hinabreicht.
Bei späteren Baumaßnahmen beseitigte man mittelalterliche Laufhorizonte und aufgehendes Mauerwerk.
Die mittelalterlichen Schichten wurden großlächig bis auf die Oberkante
des anstehenden Diabas abgetragen,
wahrscheinlich um im 17. Jahrhundert eine ebene Hofläche zu schaffen.
Dadurch fehlen weitgehend Schichtanschlüsse zwischen den Grundrissen
sowie Hinweise auf nichtunterkellerte
Gebäude aus der ältesten Bauphase.
Sehr wahrscheinlich befanden sich
auch südlich der genannten Keller Gebäude, die spurlos beseitigt wurden.
Mit dieser Tabula-rasa-Aktion vernichtete man nicht nur Bausubstanz,
sondern dünnte auch die Fundlage
beträchlich aus. Die Verfeinerung der
Keramikchronologie steht noch aus.
Mit etwas Glück lassen sich dann fehlende Schichtanschlüsse kompensieren, der Bauphasenplan detailreicher
ausarbeiten.
In der Lehmbindung von Keller 1
steckte ein uneinheitlich gebranntes Keramikfragment des 12. bis 14.
Jahrhunderts. Fundreicher sind die
Kellerverfüllungen vom Ende der
ältesten Phase, die mit der sogenannten Vogtländischen Glimmerware15
in das 14./15. Jahrhundert verweisen
und parallel zu einer Brandschicht mit
gleichem Fundmaterial laufen. Die
Brandschicht markiert ein erstes fassbares großes Katastrophenereignis,
wahrscheinlich den Hussitensturm
von 1430, bei dem das Schloss laut
Quellenlage in Flammen aufging16.
Die erste absolutchronologische Verortung eines Gebäudes gehört ebenfalls in dieses Jahrzehnt. Sie gelingt
beim Roten Turm, dessen Baubeginn
über Rüsthölzer dendrochronologisch in das Jahr 1425 gesetzt werden
kann17. In dieser Zeit kämpfte der mutmaßliche Schlossherr Heinrich X. von
Plauen bereits gegen die Hussiten und
wurde deshalb von König Sigismund
1426 mit dem Ehrentitel des Burggrafen von Meißen belehnt: Des haBurgen und Schlösser 4/2016
Burg und Schloss der Vögte zu Plauen
Abb. 7. Kartierung des Schlosses in Plauen. Die Orthofotos geben die
2014 ausgegrabenen Bereiche wieder. Farblich gekennzeichnet sind
mittelalterliche Strukturen in Befund und Rekonstruktion. Die Helligkeit
der Kennzeichnung gibt das tendenzielle Baualter wieder, dunklere Töne
bedeuten höheres Alter. Nicht gekennzeichnet, aber in den Fotos gut
erkennbar, sind die Fundamente des Westlügels, der sich sich zwischen
den Festen Häusern 1 und 2 befand (LfA Sachsen).
ben wir angesehen soliche grosse und
merkliche dinste und true, die uns und
dem heiligen riche und ouch der cron
zu Behem der wolgeborn Heinrich
von Plawen unser und des heiligen
reichs hofrichter, rat und liber getruer
und nu burggraff czu Myssen und graff
zum Hartenstein offt und dick getruelich und williclich getan und ouch
wider die keczer zu Behem leib und
gut frylichen dar gesaczt hat18. Im Jahr
der Turmgründung griffen hussitische
Heere erstmals nach Norden aus und
Heinrich sah wahrscheinlich auch seine Besitzungen in Gefahr. Der Turmbau zeugt von der Vorbereitung auf die
nahenden Angreifer, allerdings – wie
sich aus der Brandschicht lesen lässt
– auch von der Vergeblichkeit dieses
Bemühens.
Burgen und Schlösser 4/2016
Abb. 8. Plauen, Schloss der Vögte. Im Vordergrund mittelalterliche Wand (1) von Kellergang 4; dahinter Keller 2 mit Lichtnische in der
gegenüberliegenden Wand (2). Im Hintergrund
links das Südwestende der Querhaus-Ruine
mit Arkadenbogen (3) und Tür zum
ehemaligen Wehrgang (16./17. Jahrhundert)
(4). Rechts die westliche Außenmauer mit
zugesetzter Kanonennische (zweite Häfte
15. Jahrhundert) (5). Ganz hinten rechts die
Türme der Johanniskirche (LfA Sachsen,
November 2014).
Aus diesen Jahrzehnten stammen weitere größere Neu- und Umbauten, etwa
der Abriss des Gebäudes über Keller
2, die Verlegung der westlichen Außenmauer über den Gebäudegrundriss
hinweg weiter nach innen, die wahrscheinlich vollständige Verfüllung
des oben erwähnten Grabens und die
Aufführung einer neuen Außenmauer
etwa 5 m nördlich davon. Die Gebäude über Keller 1 und 6 gingen in der
Brandkatastrophe mutmaßlich 1430
unter und wurden nicht wieder errichtet. Aufgrund der genannten Probleme
lassen sich noch nicht alle Gebäude
eindeutig entweder der Phase vor dem
Brand oder dem folgenden Abschnitt
zuordnen. Denkbar wäre auch, dass
die Bauleute auf der Baustelle vom
Krieg überrascht wurden und nicht
alle geplanten Änderungen vor dem
erwarteten Hussitensturm fertiggestellt werden konnten, also die Neuund Umbauten als Wiederaufbau nach
der Zerstörung fortgesetzt wurden.
Kalkbrennofen
Wie wortwörtlich der Begriff Baustelle zu nehmen ist, zeigt der Befund eines Kalkbrennofens mit rechteckiger
Brennkammer aus dem 14./15. Jahrhundert19. Der Ofen wurde etwa zur
Hälfte in den Verwitterungshorizont
des anstehenden Diabas, zur anderen
Hälfte in die Verfüllung des mittelalterlichen Grabens eingetieft. Von der
Anlage sind die eingetieften Strukturen erhalten, die aus gegen die Ofengrube gesetztem Schiefermauerwerk
209
Jörg Wicke
Abb. 9. Aufsicht der nordöstlichen Querhaushälfte. Im Bereich um den Brunnen
sind einige Bauteile farblich hervorgehoben: rot: mittelalterlicher
Brunnenring und zugehörige, im Bild teilweise wieder ausgenommene,
Baugrube, orange: ein darin eingesetztes Fundament des Querhauses mit
Bogen und Reste des Aufgehenden (Wand und Treppenwange), 16.-17.
Jahrhundert, gelb: Überwölbung des Brunnenschachtes mit Ziegeltonne,
darauf ein weiteres Fundament und Reste einer Verblendung, 1802d oder
später. Im Nordosten zeichnet sich als rechteckiger Grundriss die teilweise
ausgenommene Brennkammer des Kalkbrennofens ab. Die übrigen Bauteile
gehören zum im 16./17. Jahrhundert errichteten und bis 1945 genutzten
Querhaus (Orthofoto aus einem Structure-from-Motion-Modell nach
Fotodrohnenbefliegung von C. Schubert, LfA Sachsen, 2014).
und einem im Zugang freistehenden
Pfeiler aus gleichem Material bestehen. Weitere Reste der Ofenwandung
füllten verstürzt die Brennkammer.
Trotz erheblicher Störungen bei Bodeneingriffen in späteren Zeiten lässt
sich der Grundriss eindeutig als rechteckige Brennkammer in Nordwestsüdöstlicher Ausrichtung (ca. 4,5 x
4,1 m) mit ebener Sohle und rund
gesetzten Ecken erkennen. Im Südosten schließt sich ein ansteigender Zugangsbereich („Ofenschnauze“) an,
der von einem Pfeiler in zwei Gassen
geteilt wird.
Sehr auffällig ist die thermisch veränderte
Gesteinsoberläche
der
Maueransichten. Der im natürlichen
Vorkommen graue, grünliche bis lila
gefärbte Tonschiefer ist an der Innenseite der Brennkammer schwarz,
verglast und z. T. blasig bis schaumig
aufgeworfen. Die Nutzung des Ofens
zum Kalkbrennen wird spätestens mit
den an Wänden und Sohle lächig anhaftenden Kalkresten augenfällig.
Die erhaltene Wandhöhe beträgt 0,6
bis 0,7 m, die Wandstärke 0,4 bis 0,5
m. Die Verfüllung bestand ausschließlich aus abgebrochenem Material der
Ofenwandung. Das nutzungszeitliche
Gehniveau außerhalb des Ofens wur210
de abgetragen und ist nicht erhalten.
Über den Abgleich der bekannten
Mauermaße und dem Versturzvolumen lässt sich abschätzen, dass die
Mauern vor Abbruch noch mindestens 1 m höher waren, der Ofen also
insgesamt mindestens 1,5 m in die
Erde eingetieft war. Sicher ragte der
Ofenaufbau auch noch über das damalige Laufniveau hinaus, wie rezente
Beispiele sogenannter stehender Kalköfen mit ähnlichem Unterbau und
senkrecht darüber in die Höhe gebautem Schacht zeigen. In der Brennkammer eines solchen Ofens wurden
Kalksteine als sogenannter „Einsatz“
dann zu einem Gewölbe – dem „Himmel“ – gefügt und der darunter beindliche Hohlraum mit Brennmaterial gefüllt. Dächer aus Ziegel oder
Stein hatten solche Öfen nicht; vielmehr konnte ein Holzdach darüber
errichtet sein oder man man stapelte
Lehmziegel auf dem „Himmel“, die
zugleich isolierten und durch die Abwärme gebrannt wurden20.
Aus den bekannten und ermittelbaren Maßen kann ein Kammervolumen
von mindestens 25 bis 30 m³ errechnet werden. In diesem Raum konnten
pro Vorgang ungefähr 12 m³ Kalkstein
zu Branntkalk umgesetzt werden, der
Abb. 10. Maßstabsgetreue Ansicht eines Längsschnitts durch den
Brunnenschacht.
Die oberen 5 m
sind ausgemauert
und mit einem
Bogenfundament
abgeschlossen
(vgl. Abb. 9),
darunter folgt bis
zur 21 m tief liegenden Sohle der
blanke Fels
(erstellt aus einem
per Structure
from Motion
errechneten 3DModell, Hauke
Evert Harms,
HTW Berlin; LfA
Sachsen, 2015)
sich mit Zuschlägen und Wasser z.
B. zu jeweils 24 bis 36 m³ Mörtel
weiterverarbeiten ließ21. Der Kalkofen
stammt ebenfalls aus dem zeitlichen
Umfeld des Hussitensturms; er könnte unter anderem zur Errichtung des
Roten Turms hergestellt worden sein.
Für die nötige Mörtelmenge allein des
Turms hätte der Kalkbrennofen fünfbis elfmal angefahren werden müssen.
Um Plauen herum kommt Kalkstein in
kleinen, aber dicht gestreuten Taschen
vor. Am ehesten wirkt der devonische
Knotenkalkstein abbauwürdig, der z.
B. 1 km südlich des Schlossberges
ansteht. Selten fand er auch als Baumaterial Verwendung. Unter den etwa
420 Baubefunden der Ausgrabung
kommt z. B. nur ein Fundament vor,
das zu 100 % aus Knotenkalk errichtet
wurde, in 20 weiteren Befunden wurde das Gestein im Mischmauerwerk
verbaut. Dass Kalk im Vergleich zu
anderen, häuigeren Gesteinsarten als
Mauerstein eine untergeordnete Rolle
spielte und eher für die Branntkalkherstellung verwendet wurde, zeigt z.
B. auch der Eintrag über das „Recycling“ zweier Gebäude in der Plauener
Brückenvorstadt um 1500: [...] der
Bawefellig[en] zweier/fron güt[e]r
In der mortgass vor/Brügk[e]r thor
Burgen und Schlösser 4/2016
Burg und Schloss der Vögte zu Plauen
geleg[e]n, so zw/m[eines] g[nädigen]
h[errn] bawe zu kalch v[er]branth
[...]22. Holz, der zweite notwendige
Rohstoff, lag in mehreren Wäldern
um die Stadt ebenfalls vor.
Aus archäologischem Kontext sind
noch drei weitere mittelalterliche
Kalköfen aus Plauen bekannt23. Zusammen mit der im 19. Jahrhundert
vorbildlich begonnenen Publikation
und Auswertung archivalischer Quellen zur Geschichte von Stadt und Burg
Plauen, die nun im Rahmen des laufenden Projekts durch Ivonne Burghardt M.A. (Dresden) ihre Fortsetzung
indet24, ergibt sich ein Bild zur Entwicklung der städtischen Bautätigkeit,
das sich in seiner Detailgenauigkeit
mit dem Forschungsstand zu Prag oder
Nürnberg vergleichen lässt. Die drei
Kalkbrennöfen lagen in der Alt- und
Neustadt, jeweils unweit der Johanniskirche. Wie der Ofen auf dem Schloss
der Vögte waren sie nur kurzzeitig
in Nutzung. Alle Anlagen können als
baustellenbezogene Produktionseinrichtungen betrachtet werden.
Aus den Schriftquellen erschließt
sich, dass für das Schloss um 1500
kein eigener Kalk hergestellt, sondern
u. a. vom Kloster bezogen wurde25.
Eine Generation später, 1535/36,
werden erstmals ein Kalkbrennofen
außerhalb der Stadtmauern und ein
Stadtbaumeister erwähnt, der auch
Branntkalk verkaufte26. Mit der Zentralisierung von Stadtplanung und
Materialherstellung sowie -lagerung
war ein wesentlicher Schritt in der
städtebaulichen Entwicklung vollzogen, der die „Versteinerung“ bürgerlicher Häuser förderte. Zwar spielte
das Schloss dabei eine Außenseiter-,
bestenfalls eine Vorreiterrolle, doch
ging die Entwicklung auch an diesem
Objekt nicht ganz spurlos vorüber,
wie die Umstellung von eigener, baustellenbezogener Branntkalkproduktion auf Lieferantenwirtschaft zeigt.
Abb. 11. Im Keller unter dem Querhaus (16./17. Jahrhundert) wurde um 1802
eine Lichtnische bis zur Kellersohle erweitert und auf dieser Ebene ein Stollen
durch den Fels bis zum fünf Meter entfernten Brunnen getrieben (LfA Sachsen,
Januar 2015).
Abb. 12. Kalkbrennofen, 15. Jahrhundert.
Mauerumrisse des Ofens sind auf Höhe
des oberen Planums nachgezogen. In zerstörten Bereichen geben die Striche einen
Rekonstruktionsvorschlag wieder. Die
übrigen Mauerzüge gehören zum Querhaus aus dem 16./17. Jahrhundert (vgl.
Abb. 9) (Orthofoto aus einem Structurefrom-Motion-Modell von C. Schubert,
LfA Sachsen, 2014/2015).
Burgen und Schlösser 4/2016
211
Jörg Wicke
Abb. 13. Maßstabsgetreue
Ansicht des Roten Turms.
Blick von Nordwest, entlang
der aus dem Bild entfernten
Außenmauer. Alle sichtbaren
Öffnungen sind sekundär eingebracht oder überformt. Bei
dem verglasten Bogenfenster
(1) handelt es sich um eine
umgebaute ehemalige Verbindung zum Wehrgang auf der
Mauer, der wahrscheinlich um
den Turm herumgeführt wurde. Die zugesetzte Türöffnung
mit Granitrahmen (2) links unterhalb davon könnte den ehemaligen Turmzugang, neun
Meter über Grund, markieren.
Die übrigen Öffnungen (3-8)
entstanden nachträglich bei
späteren Um- und Anbauten
(Orthofoto aus einem Structure-from-Motion-Modell von
Christof Schubert, LfA Sachsen, 2014).
Das Schloss im 15. und 16.
Jahrhundert
Die Verdichtung der Schriftquellen
dank der überlieferten Amtsbücher
ab dem 15. Jahrhundert versetzt
uns in die Lage, die zeitgenössische
Sichtweise mit der archäologischen
Überlieferung abgleichen zu können.
Die Quellen nennen: grose kemnoth,
Fürstenstube, Hofstube, Frauenstube,
Kinderstube, kleine Stube, padstoben
(Badestube), di kirchen (samt eigenem Kaplan), büchs haus, brawhaws,
Backhaus, Kornhaus (Umbau), Küche, Pferdeställe, Schafhaus und ein
Hühnerhaus, Rohrwasser und den
Fischkasten. Daneben drei Türme:
Roter Turm, Weißer Turm und Turm
des Amtsschreibers sowie zwei Tore,
jeweils mit Brücken. Außerdem ist
hin und wieder von einem schroth die
212
Rede, mit dem wahrscheinlich
der Wehrgang auf der Außenmauer gemeint war27.
Bei vielen Erwähnungen
bleibt ungewiss, ob es sich jeweils um ein eigenständiges
Gebäude, einen Gebäudeteil
oder nur einen Raum handelt.
Die Identiizierung der Objekte mit archäologischen Befunden gelingt teilweise. Das Kornhaus an der
südöstlichen Außenmauer z. B. muss
kurz vor Einsetzen der Amtsbücher
errichtet, dann aber um 1500 – wie
Schrift- und archäologische Quellen
übereinstimmend belegen – so wesentlich erweitert worden sein, dass
ein mit 40 m Länge und mindestens
drei Stockwerken Höhe durchaus repräsentatives Gebäude entstand. Den
zweiten archäologisch nachweisbaren Schwerpunkt bildete der Westlügel, der beim Wiederaufbau nach
dem Hussitensturm 1430 zwischen
den Festen Häusern 1 und 2 – unter
Einbeziehung beider Gebäude – im
Nordwesten des Schlosses erbaut
wurde. Er brachte es ebenfalls auf
repräsentative Ausmaße von 10 m
Breite und mindestens 42 m Länge.
Auf einer Darstellung von Wilhelm
Dilich, zwischen 1626 und 1629 entstanden, trägt die stadtseitige Fassade
des Westlügels unterschiedlich hohe
Zwerchgiebel, die die Bedeutung
des Baues unterstreichen. Die in den
Quellen genannten „Stuben“ und die
große Kemenate kann man hier vermuten. Auch die erwähnte kirchen,
die Burgkapelle, wird sich in oder am
Westlügel befunden haben. Bei einer
der zahlreichen Umbaumaßnahmen
gelangten Steinfragmente von der igürlichen Kapellenausstattung in ein
Fundament, darunter Füße eines (Jesus)Kindes, eine Hand mit Schreibgriffel oder Szepter und Faltenwürfe
mit Resten von Blattvergoldung, alles in sehr qualitätvoller Ausführung.
Außer Resten der Rohrwasserleitung
fehlen archäologische Nachweise der
erwähnten Wirtschaftsbauten. Zum
Teil werden sie in Kornhaus und Westlügel integriert gewesen sein, etwa die
Pferdeställe, teils werden ihre lachen
Gründungen dem Baudrang der nachfolgenden Generationen zum Opfer
gefallen sein. An der nördlichen Außenmauer ließen sich im Baubefund
ebenfalls geringe Reste eines möglichen Randhauses nachweisen. Auch
hier kann man Wirtschaftsgebäude
vermuten. Im Jahre 1548 brannte das
nunmehr zum Renaissanceschloss gewandelte Ensemble ab und trat erst
120 Jahre später wieder in den Quellen in Erscheinung.
Das Schloss ab dem 16. Jahrhundert
Der große Brand von 1548 ist zwar
chronikalisch belegt; auch die lange
Brache bis weit in das 17. Jahrhundert hinein scheint plausibel anhand
der spätestens 1629 entstandenen
Abbildung von Dilich, die nahezu
alle sichtbaren Schlossgebäude ohne
Dach zeigt. Jedoch griffen die in
den 1670er-Jahren unternommenen
Aufräumarbeiten so tief in den Untergrund ein, dass von diesem Ereignis in der Sedimentstratigraie keine
direkten Spuren überliefert wurden.
Lediglich z. T. sehr fundreiche Zwingerverfüllungen mit Keramik des 16.
Jahrhunderts bezeugen den wörtlich
zu nehmenden Kehraus nach der Katastrophe.
Im Jahre 1675 wurde das Querhaus
eingeweiht, das die Anlage in einen
nordwestlichen Oberen und südöstlichen Unteren Schlosshof teilte. Dabei
wurde nur an den beiden GiebelseiBurgen und Schlösser 4/2016
Burg und Schloss der Vögte zu Plauen
ten ältere Bausubstanz aus der Zeit
vor dem Brand weiterbenutzt. Anhand von Bauphasengliederung und
Formensprache kann ein Baubeginn
bereits im 16. Jahrhundert vermutet
werden. Nach einer Pause unbekannter Länge erfolgte die Vollendung des
ursprünglich als Renaissancebau konzipierten Gebäudes als frühbarockes
Bauwerk.
Bemerkenswert ist die Einbindung
des mittelalterlichen Brunnens in den
Hausgrundriss. Zwei Mauern wurden randlich über den Brunnenring
hinweggeführt und zwischen ihnen
wurde einen Treppe gespannt. Der damalige Baumeister, eventuell Johann
Moritz Richter d. J. (* 1647, † 1705),
erfreute sich wahrscheinlich größeren
Selbstvertrauens als heutige Statiker,
denn die westliche der beiden Mauern steht mit halber Stärke auf dem
Brunnenring und trug bis 1945 noch
die Wände der zwei Obergeschosse.
Die östliche Mauer wurde sogar über
den lichten Schacht geführt. In beiden Mauern wurden die Lasten über
Bögen auf den Brunnenring oder Bereiche neben dem Brunnen abgeleitet. Der Brunnenschacht konnte über
Fenster in den beiden Wänden benutzt
werden.
Kurz nach 1802 verschloss man den
Brunnen mit einer in den Schacht
gespannten Ziegeltonne. Die dendrochronologische Datierung gelang
mittels Resten des Lehrgerüstes unter der Tonne, die herabgestürzt und
im Wasser liegend erhalten geblieben
waren. Die über den Schacht hinwegführende Treppe wurde gleichzeitig
entfernt, der Brunnenring gestutzt und
eine kaum 2 m breite Kammer mit
angeglichenem Fußbodenniveau geschaffen. Wohlgemerkt, man verfüllte
den Brunnen nicht, sondern hielt ihn
bewusst offen.
Im einzigen Keller des Querhauses
durchbrach man die Wand hinter einer
Lichtnische und fuhr bergmännisch
einen Stollen vom Keller durch den
gewachsenen Fels zu dem 5 m entfernt
liegenden Brunnenschacht auf. Die
Stollensohle wurde leicht abschüssig
gegen den Brunnen gestaltet und mit
zugerichteten Schieferplatten abgedeckt. Bis auf einen etwa 0,2 m hohen
Durchlass am Mauerfuß verschloss
man den Wanddurchbruch wieder.
Durch den Stollen konnte nicht nur im
Keller austretende Feuchtigkeit abgeleitet werden, sondern auch Oberlächenwasser vom Unteren Schlosshof.
Burgen und Schlösser 4/2016
Abb. 14. Ruine des Querhauses von Norden gesehen. Errichtet im 16./17.
Jahrhundert, zerstört im April 1945 und seitdem aufgelassen. Während die
Südfassade fast bis zur Traufkante erhalten ist, steht von der Nordfassade nur
noch ein Teil des Arkadengangs. Im Vordergrund die teilverfüllten archäologischen Sondagen im Westlügel. Im Hintergrund die Haube des Roten Turms
(LfA Sachsen, 2014).
Nach dem Wiederaufbau in den
1670er-Jahren waren auch Westlügel,
Kornhaus und andere Schlossgebäude
wieder benutzbar geworden. In der
Folgezeit erfuhren sie vielfältige Umgestaltungen, die sie der Umwidmung
vom fürstlichen Quartier zu Amts-,
Archiv- und Wohngebäuden anpassten. Massiv wurde in die Substanz des
Westlügels eingegriffen, der in Teilen
zwischenzeitlich niedergelegt wurde,
um im 19. Jahrhundert neu errichtet
zu werden. Die Treppen wurden nach
außen verlegt, in Halbtürme, deren
polygonaler Grundriss offensichtlich vom Roten Turm inspiriert war.
Schwerste Schäden erlitt das Schloss
im April 1945, als es zusammen mit
weiten Teilen der Stadt bei mehreren Luftangriffen großlächig zerstört
wurde. Lediglich der Rote Turm, der
Nordturm, Teile der Außenmauer und
die Fassadenseiten des Querhauses
widerstanden den Bomben. Außer
neuen Dächern für die Türme und den
allernötigsten Bausicherungen an der
Querhausruine wurden seit 1945 keine wesentlichen Substanz erhaltenden
Maßnahmen unternommen. Seit 2014
wird das gesamte Gelände saniert, für
das Querhaus existieren bereits erste
Konzepte eines Wiederaufbaues.
Ausblick
Durch die Grabungen von 2014
konnte eine wesentliche Lücke in der
Geschichte des Vogtländischen Bur-
genbaues geschlossen werden. Die
Rekonstruktion von vollständigen
Gebäudegrundrissen aus der Gründungsphase der Burg kann überregional als einmalig gelten. Dementsprechend wird der Schwerpunkt der
noch laufenden Auswertungen auch
auf der Frühphase bis zum Brand 1548
liegen. Als Forschungsdesiderat gilt
die typochronologische Gliederung
der sogenannten Vogtländischen
Glimmerware, die auf dem Schloss
reichlich vertreten ist. Weil aus der
genaueren zeitlichen Fundansprache
ebenfalls eine genauere Gliederung
der Baugeschichte erwartet werden
darf, soll sich die Fundauswertung
auch auf diesen Bereich der Keramik
konzentrieren.
Die Archäologie kann bei der vorhandenen Befundlage einen zentralen Beitrag zur Rekonstruktion der
Schlossgeschichte liefern; ein zeitgemäßes Gesamtbild wird jedoch
nur durch die Zusammenarbeit mit
Spezialisten verschiedener Disziplinen gelingen. Die Arbeiten zu den
Geschichtsquellen durch Ivonne
Burghardt M.A. sind bereits abgeschlossen. Ein Bauphasenplan des
Querhauses wird unter Führung des
zuständigen Referenten Dipl.-Ing.
Thomas Noky vom Landesamt für
Denkmalplege Sachsen demnächst
beendet. Im Zusammenhang mit der
Aufarbeitung entstanden und entstehen außerdem mehrere akademische
Beleg- und Abschlussarbeiten28.
213
Jörg Wicke
Anmerkungen
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Gebietsreferent Dr. Stefan Krabath,
unter örtlicher Leitung des Autors. Als
Grundstückseigentümer und Bauherr
der archäologischen Grabungen trat der
Staatsbetrieb Sächsisches Immobilienund Baumanagement, Niederlassung
Zwickau, auf, vertreten durch Michael
Haas, Diana Weber, Sindy Männel, Rainer Haderthauer, denen für Kooperationsbereitschaft und Unterstützung Dank
gebührt. Ebenso gilt den 20 Grabungshelfern und Ihren Vermittlern vom Sozialen
Arbeitsförderwerk e.V. bzw. dem Jobcenter Plauen Dank. Ferner ist den fünf
Grabungsmitarbeitern und den drei als
Schnittleiter beteiligten Archäologen Alexander Heckendorff (Halle), Thies Evers
(Hamburg) und Marcel Dallinger (Dresden) zu danken. Die Grabungsergebnisse
werden im Rahmen eines Promotionsvorhabens an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel aufgearbeitet. Die Finanzierung trägt das Land Sachsen, dafür ist
Staatsminister Prof. Dr. Georg Unland zu
danken. Dr. Stefan Krabath (Landesamt
für Archäologie Sachsen) und Prof. Dr.
Ulrich Müller (Uni Kiel) gebührt Dank
für die Betreuung der Arbeit. Der hier
vorgestellte Stand der Arbeit konnte im
März 2016 beim „Jungen Forum Burgenforschung“ in Braubach präsentiert
werden. Für diese Möglichkeit, die Vermittlung und herzliche Betreuung sei der
Deutschen Burgenvereinigung und dem
Europäischen Burgeninstitut gedankt.
Ein erster Vorbericht zur Kampagne 2014
ist bereits erschienen: Jörg Wicke/Alexander Heckendorff/Thies Evers/Marcel
Dallinger/Stefan Krabath, Das Schloss
der Vögte in Plauen. In: Archaeo 11,
S. 4–15.
Ernst Eichler/Volkmar Hellfritzsch/
Johannes Richter, Die Ortsnamen des
sächsischen Vogtlandes (Schriftenreihe
des Vogtlandmuseums Plauen, 50 u. 53),
Plauen 1983 u. 1985.
Gerhard Billig/Heinz Müller, Burgen.
Zeugen sächsischer Geschichte, Neustadt
1998, S. 30.
Gute zusammenfassende Darstellung
durch Gabriele Buchner/Frank Weiß/
Sigrid Unger, 800 Jahre Land der Vögte
(1209-2009), Plauen 2009. Den Autoren
sowie zahlreichen Interessierten vor Ort,
insbesondere Gert Müller, Roland Best
und Günther Hager muss für ihre unermüdliche und allseitige Unterstützung der
Grabungs- und Forschungsarbeiten sehr
herzlich gedankt werden.
Matthias Werner, Die Anfänge der Vögte von Weida. In: Sybille Putzke/Claudia Wohlfeld-Eckardt/Tina Fehlhaber
(Hrsg.), Das Obere Schloss in Greiz. Ein
romanischer Backsteinbau in Ostthüringen und sein historisches Umfeld (Arbeitshefte des Thüringischen Landesamtes für Denkmalplege und Archäologie,
N.F. 30), Erfurt 2008, S. 14.
Matthias Werner, Zur Stadtentstehung
im östlichen Thüringen und im Vogtland.
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19
In: Yves Hoffmann/Uwe Richter (Hrsg.),
Die Frühgeschichte Freibergs im überregionalen Vergleich. Städtische Frühgeschichte, Bergbau, früher Hausbau, Halle
2013, S. 181 f.
Walther Ludwig, Ein Gang durch AltPlauen, Plauen 1993². Detaillierte, allerdings in Teilen widerlegte Übersicht über
die Entwicklung Plauens durch Walther
Bachmann, Das alte Plauen, Plauen 1954.
Zur geschichtlichen Frühzeit des Vogtlandes Werner, Anfänge (wie Anm. 6),
S. 11–55. Gerhard Billig, Pleißenland –
Vogtland, Plauen 2002; Ders., Vögtische
Herrschaftspraxis zwischen dem Eintritt
Heinrichs IV. von Weida in den Deutschen
Orden 1238 und dem Bobenneukirchner
Vertrag 1296. In: Kulturverein Weida e. V.
(Hrsg.), Euregio Egrensis. Weidaer Kolloquium – Heinrich IV, Vogt von Weida,
und seine Zeit, Weisbach 1997, S. 8–18;
Karlheinz Blaschke, Geschichte Sachsens
im Mittelalter, Berlin 1990.
Von den ungefähr 200 bekannten befestigten Anlagen wurden bisher 105 aufgenommen und kartiert. Davon liegen 73
(ca. 70 %) einzeln in einer Gemarkung,
in zehn Fällen liegen zwei Burgen und
in vier Fällen drei Burgen innerhalb einer Gemarkung. Angaben aus Gerhard
Billig/Gabriele Buchner, Verzeichnis der
mittelalterlichen Wehranlagen des Bezirkes Karl-Marx-Stadt, 1979 [unpubl.
Masch.ms., Landesamt für Archäologie
Sachsen], z. T. publiziert in Billig/Müller,
Burgen (wie Anm. 4), S. 121–140.
Billig, Herrschaftspraxis (wie Anm. 9),
S. 12.
Zum Klientel der Vögte z. B. ebd., S. 9.
Billig/Müller, Burgen (wie Anm. 4),
S. 122.
Dank an Dieter Barz (Alzey) für die Befunddiskussion beim Jungen Forum Burgenforschung, März 2016.
Dunkelgraue Oberläche; die grobe mineralische Magerung enthält einen deutlichen Anteil Glimmer. Die Vorkommen
dieser Warenart streuen bis Zwickau,
vereinzelt bis Leipzig, mit deutlichem
Schwerpunkt im Vogtland.
Z. B. Sebastian Münster, Cosmographey,
Basel 1598 [1544], S. 510.
Insgesamt wurden drei Hölzer beprobt,
alle mit Waldkante. Dank für die Bearbeitung dendrochronologischer Proben
an Dr. Karl-Uwe Heußner (Deutsches
Archäologisches Institut Berlin) und
Dipl.-Ing.Thomas Noky (Landesamt für
Denkmalplege Sachsen) sowie für die
Zusammenarbeit und Genehmigung der
Probenentnahme.
Berthold Schmidt, Urkundenbuch der
Vögte von Weida, Gera und Plauen. Sowie ihrer Hausklöster Mildenfurth Cronschwitz Weida und z.h. Kreuz bei Saalburg, Zweiter Band 1357-1427 (Thüringische Geschichtsquellen, 5), Jena 1892,
S. 613 (Nr. 732).
Vorbericht: Jörg Wicke/Stefan Krabath,
Spätmittalterliche Kalkproduktion in der
Burg der Vögte zu Plauen/Vogtland (Mit-
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teilungen der Deutschen Gesellschaft für
Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit, 29), Kiel 2016, S. 215–224.
Ludwig Friedrich Wolfram, Vollständiges
Lehrbuch der gesammten Baukunst: Bd.
1, Stuttgart 1883, S. 57 ff.; eine anschauliche Zusammenfassung rezenter Kalköfen: Hauke Kenzler, Archäologische
Untersuchungen zum Kornmarkt in Zwickau, Dresden 2001, S. 37 f.
Zu Mischverhältnissen von Mörtel: Adalbert Schwippel, Georg Frey oder Beispiel
wie viel Gutes ein verständiger Mann in
einer Gemeinde zu stiften vermag [...],
Prag 1835, S. 315. Zu Materialvolumenberechnungen stehender Bauwerke: Richard Fill, Kostenberechnung im Tiefbau,
Wien 1965, S. 222, Tab. 5 .
Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar,
Ernestinisches
Gesamtarchiv
(THStW EGA) Reg. Bb. 1884, fol. 66v.
Dank für Recherche und Transkription
gebührt Ivonne Burghardt (Landesamt für
Archäologie Sachsen).
Bisher nur in Vorberichten publiziert:
Uta Böddiker/Martina Bundszus/Ralph
Hempelmann/ Friederike Koch/Markus
Reichel, Bürger, Burg und Brakteaten.
Die Stadtkerngrabungen in Plauen. In: archäologie aktuell im Freistaat Sachsen 4,
1996, S. 113–130. Martin Kroker, Stadtbefestigung, Ordensburg und Siedlungsbeginn. Ausgrabungen auf dem Gelände
der ehemaligen Textilfabrik Vowetex in
Plauen. In: archäologie aktuell im Freistaat Sachsen 6, 2000, S. 96–101.
Zu den wichtigsten Quelleneditionen zählen Schmidt, Urkundenbuch (wie Anm.
19) sowie die Publikationen von Johannes Müller und Curt von Raab in den
Mitteilungen des Vogtländischen Altertumsvereins ca. 1880 bis nach 1900. Frau
Burghardt hat die insgesamt 82 erhaltenen
Rechnungsbücher des Amtes Plauen zum
Baugeschehen auf dem Schloss der Vögte
exzerpiert. Die Bücher umspannen, mit
Lücken, den Zeitraum von 1438 bis 1546
und liegen im THStW EGA, Reg. Bb.
1875-1958 (vgl. Anm. 22).
THStW EGA, Reg. Bb. 1880, fol. 58r (vgl.
Anm. 22).
THStW EGA Reg. Bb. 1931-1932, fol.
78r und 79v und Reg. Bb. 1933 (vgl. Anm.
22).
Zusammenfassung aus den unter Anm. 24
genannten Quellen.
Archäologische Kartierung mittels geograischem Informationssystem durch
Christian Platz, Laserscan des Querhauses durch Bettina Seifert (beide an der
Hochschule für Technik und Wirtschaft
Dresden, Fakultät Geoinformation), die
fotorealistische 3D-Modellierung des
Brunnenschachtes mittels Structure from
Motion durch Hauke Evert Harms (Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin,
FB 5, Grabungstechnik), die Auswertung
von Baugerüstspuren durch Christian Mai
(TU Dresden) und die zusammenfassende
Betrachtung historischer und archäologischer Ergebnisse durch den Verfasser.
Burgen und Schlösser 4/2016